Tennis

Thiem oder: Bittere Pille als Weckamin

Nicolas Massu, sein Touring-Coach, hatte beim Heurigen in Wien ganz nüchtern davor gewarnt, die Exhibition-Siege oder exzellente Trainingsleistungen von Dominic Thiem als wahren Maßstab zu betrachten. Der Chilene hat schon gewusst, was er sagt, und vielleicht sogar geahnt, dass noch so gute Schaukämpfe halt doch nur „Füllmaterial“ sind, weil sie den echten Wettkampf nicht wirklich simulieren können. Natürlich ist´s nicht förderlich fürs Selbstvertrauen und auch medial eher peinlich, wenn man als Nr. 3 der Welt und Nr. 2 des Turniers gegen eine Nr. 32 im Ranking wie den Serben Krajinovic ganze drei Games und bei dessen Service im zweiten Satz gar nur zwei Punkte macht. Aber solche Tage, an dem im O-Ton der Spieler „du den Ball nicht auf dem Schläger hast“, die hat nicht nur ein Thiem erlebt, sondern solch ein Debakel ist auch schon anderen, noch größeren Stars passiert.

Und was Thiem und den alljährlichen Nordamerika-Einstieg betrifft, so kann man die Erst- bzw. Zweitrundensiege des Niederösterreichers an den Fingern einer Hand abzählen, sofern er überhaupt gespielt und nicht wegen einer Erkrankung hatte pausieren müssen wie die vergangenen Jahre in Cincinnati. Und trotz der Negativbilanz im Countdown zu den US-Open hat sich Thiem – abgesehen vom „kranken“ Vorjahr – stets so schnell und gut erholt, dass er beim normalerweise letzten Grand Slam der Saison mit der besten Form und seinen besten Schlägen den „Dominator“ auspacken konnte. Man denke nur an den atemberaubenden Fünfsatz-Krimi im Viertelfinale des 2018er-Jahres, als er gegen Rafael Nadal fast schon die Sensation auf dem Schläger gehabt hatte, ehe sie ihm durch ein, zwei Zauberschläge des Spaniers da, ein, zwei leichte (Volley-)Fehler von ihm selbst dort, doch noch vom Racket rutschte.

Auch wenn  „Dominator“ Thiem im Gegensatz zum „Tominator“ Muster vorerst nur drei verlorene finale Duelle, aber keinen Grand-Slam-Titel auf seinem Konto hat, so hat er sich im Laufe der Jahre dennoch zu einer Major-Größe entwickelt. Anders als etwa der einige Jahre jüngere, weit größere und seit Jahren auch von Skandalen begleitete Alexander Zwerew ist es Thiem über Wien und Kitzbühel hinaus gelungen, sich bei den wichtigsten und größten Tennis-Turnieren der Welt sowohl zu stabilisieren als auch zu etablieren. Auch als eine der Fixgrößen, über die womöglich der Welt zum großen Titel führt, den er selbst ebenfalls im Visier hat. Und das ist trotz und vielleicht auch wegen der Weckamin-Watschen zur rechten Zeit im Cincinnati-New-York sowohl Basis als auch Plattform, um irgendwann in nächster Zeit zum unaufhaltsamen Höhenflug anzusetzen. Das Potenzial dazu hat er, obschon ein 2:6, 1:6 gegen einen 28-Jährigen Mitläufer wie Krajinovic eine mehr als bittere Pille war, die Thiem hat schlucken müssen. Samt manch herber Kritik.

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