Es ist vollbracht! Austria und Australia kann man beim US-Open in New York heuer gottlob nicht verwechseln. Österreichs Tennis ist nämlich nach den Absagen von Thiem wie Novak und den Quali-Niederlagen aller anderen von Ofner über Rodionow bis zu Grabher und Haas beim letzten Grand-Slam des Jahres nicht vertreten. Da kann man dem heimischen Tennisverband nur gratulieren, wie es ihm gelungen ist, trotz eines seit Jahren populären und erfolgreichen Grand-Slam-Siegers a la Dominic Thiem als Vorbild und Testimonial so wenig Nachwuchs-Kapital zu schlagen wie ehedem bei und nach Thomas Muster oder aber der Golden-Girl-Generation von Judit Wiesner-Floimaier, Barbara Paulus, Sylvia Plischke, Barbara Schett, Tamira Pazek bis zu Sybille Bammer. Ja, es scheint, als wär´s wie mit den Gezeiten – erst kommt die Flut, dann die Ebbe. Und wer meint, die Starlets mit dem Potenzial zu neuen Topstars würden schon in den Startlöchern scharren, der sitzt einem Irrtum auf.
Abgesehen von den Nicht-mehr-Junioren wie Lukas Neumayer oder dem Tiroler Erler sucht man vergeblich in den Jugendweltranglisten irgendwelche ÖsterreicherInnen unter den Top 50, ganz zu schweigen davon, dass es vor Jahren eine Antonitsch-Tochter als neue Schett, wenn nicht Hingis angekündigt wurde, aus der sich auch vieler Abnützungen/Verletzungen wegen leider keine Kanone, sondern nur ein Rohrkrepierer (WTA-Ranking Nr. 775) entwickelt hat. Die aktuelle ÖTV-Nr. 1 bei den männlichen Junioren heißt Marko Andrejic, wird von Dominic Thiem finanziell und vom Trainervater Wolfgang sportlich unterstützt, fiel aber bei einer negativen Jahresbilanz (7:14-Siege) von Nr. 49 auf Nr. 71 im ITF-Ranking zurück. Wie sein Name verrät, dürfte Andrejic ebensolche Migrationswurzeln haben wie Matthias Ujvari (ITF Nr. 214) oder Jan Kobinski (ITF um Nr. 240), also das wichtigste Nachschub-Reservoir fürs heimische Tennis sein. Bei den Mädchen findet sich mit der Bresnik-Elevin Elena Karner aus dem Lavanttal als die aktuelle Nr. 170/71 gerade eine junge Dame unter den Top 200.
Thiem-Schützling Marko Andrejic und Bresnik-Elevin Elena Karner halten die rotweißroten Fahnen im ITF-Ranking hoch.
Wer all diese ernüchternden Zahlen nur mit Covid19 und der Pandemie zu erklären versucht, der lügt sich natürlich in den Sack. Die Frage, die sich stellt, kann nur lauten: Was oder wer ist schuld an dieser Misere in einem Tennis-Land, in dem es – pardon, pour l´expression – jede Menge an Zugpferden gab und immer noch gibt, selbst dann, wenn Dominic Thiem mit seiner langwierigen Handverletzung seit Juni außer Gefecht ist. Ja, woran mangelt´s bei den Jung-Österreichern mit und ohne Migrationshintergrund? Ist´s fehlendes Talent, ist´s lasche Einstellung, mangelnder Ehrgeiz oder einfach zu wenig Härte gegen sich und alles, was mit Tenniserfolg zu tun hat? Auch wenn die Starlets sich mittlerweile frühzeitig entscheiden, eigene Wege bei rivalisierenden Akademien oder Leistungszentren zu gehen – in welcher Form auch immer sollte, nein; müsste auch der Verband mit oder ohne ausgegliederte Spitzensport- und Profi-Sektion eine gewisse Verantwortung übernehmen.
Ohne Vorbilder, die auch Jugendlichen den Spitzensport schmackhaft und interessant machen, droht Tennis wie vor Jahrzehnten zu einem elitären Hobby zu verkommen. Und dem gilt es mit aller Kraft, aber auch vernünftiger Strategie entgegenzutreten. Ohne Thiem und Co werden beim US-Open auch Publikumsinteresse und Einschaltziffern schrumpfen. Und nur der harte Kern bleibt über, der sich auch an Australiern statt Austrianern nicht sattsehen kann. Kurzum, es sollten längst alle Alarmsirenen schrillen, um zu verhindern, dass der heimische Tennissport austrocknet, bevor eine Flut kommen kann…