Alle Neune! Gegenteil von Kegeltraum! Happel ist´s passiert mit Tirol. Prohaska hat´s in Valencia geschluckt mit dem Nationalteam. Aber alle Neune mal zwei, das ist neuer, absoluter Southampton-Rekord, mit dem Ralph Hasenhüttl in die Annalen nicht nur des Klubs, sondern des englischen Fußballs eingehen wird. Kaum auf der Insel, schon hatte er Geschichte geschrieben, schließlich war ihm als ersten österreichischen Trainer überhaupt der Sprung in die Premier League und in die Hafenstadt Southampton gelungen. Hurra! Kaum war´s aufwärts gegangen mit ihm und den „Saints“, da kam´s knüppeldick – 0:9 gegen Leicester City, noch dazu daheim. Wumm! Rauswurf als Konsequenz? Irrtum! Hasi blieb, Erfolg stellte sich ein, nicht Abstieg wurde ein Thema, sondern ein weiterer Meilenstein, zumindest aus heimischer Perspektive.
Obschon nur vorübergehend, so schaffte es Hasenhüttl als erster Trainer aus Österreich, mit dem Low-Budget-Außenseiter Southampton die Tabellenführung in der Premier League zu übernehmen. Wow!!! Mehr noch, die Saints feierten den 1:0-Sensationssieg gegen Meister Liverpool wie den Himmel auf Erden. Dann ging´s für die „Heiligen“ ab in die Fußballhölle mit einem (nur von einem Cup-Sieg und Achtelfinal-Aufstieg unterbrochenen) Spießruten- und Negativlauf, bei dem sich alle und alles gegen Southampton und Hasenhüttl verschworen zu haben schien. Bis zum letzten Highlight, dem zweiten 0:9, diesmal in Old Trafford gegen Manchester United, bei dem am Ende nur noch neun Blaue gegen elf Red Devils am Felde standen. Blöd gelaufen, oder? Hasi, der Held, plötzlich wieder Versager. Oder nur Pechvogel, der dem Glücksritter entflog?
Wer weiß schon, was kommt. Eines aber weiß ich nicht nur als Sky-TV-Konsument, ich will es auch zu Papier, Pardon: in den Laptop bringen: Der vermeintliche Hi-Tech-Fortschritt, vor allem vom Fernsehen als zusätzliches dramatisches Element bejubelt, stellt sich immer öfter als Fluch denn als Segen für den Fußball heraus. Ja, der Video-Referee, auf Neudeutsch V(ideo)A(ssistent)R(eferee), der neue Oberschiedsrichter des Fußballs, der nicht zu sehen oder zu hören ist, weil er irgendwo in einem (Keller-)Kämmerchen weit vom Schuss sitzt, dieser in der Regel angeblich oft (so kolportieren es Top-Profis) praxisfremde, aber umso regelkundigere vierte Mann gibt apodiktische Signale, ob sich Mr. Referee mitunter länger zurückliegende Szenen unbedingt nochmals ganz genau anschauen muss! Ganz nach dem Geschmack von Puristen, die darauf verweisen, dass ja Millimeter im Millionenspiel über Mammon oder Mist entscheiden können, dagegen wären ein paar Minuten an Spielunterbrechung ja legitim und so gut wie nichts!
Ob VAR, ob Referees, ob Kommentatoren- und Moderatoren-Puritaner, es scheint, als würde keinen stören, welch Absurditäten-Kabinett sich immer wieder öffnet. Ehe wir auf Hasi und Saints kommen, schauen wir noch schnell im DFB-Pokal vorbei beim Duell vom schwächelnden Dortmund mit Absteiger Paderborn, um Folgeszenen in der 90. Spielminute vorzuspielen, alles mehrmals aufgelöst in Slow Motion, ganz so, als müsste man (Sport-)Leben stets in Zeitlupe zurückspulen.
Szene 1 beim Stande von 2:1: Paderborn-Stürmer im kleinen Strafraum (heißt das jetzt Mini-Box?), Ball fällt BVB-Passlack an die Hand, während er mit gestrecktem Bein den Schussbereiten umsäbelt, ohne dass trotz wilder Paderborn-Proteste ein Pfiff folgt. Szene 2: Direkter Konter über Haaland, der in seiner Naturgewalt nicht zu bremsen ist, alles abschüttelt und nach dem vermeintlichen Tor zum 3:1 jubelt wie immer. Zu früh gefreut, Wikinger! VAR signalisiert: Anschauen, Hr. Referee – aber nicht das Haaland-Solo, sondern die Szene davor vorm BVB-Tor. Er zeigt das Kastl, dann auf den Punkt, BVB-Tor annulliert, dafür Elfer für Paderborn, Ausgleich zum 2:2, Kopfstand! Dazu Verlängerung, in der die Borussen doch noch den längeren Atem hatten. 30 Minuten mehr Kampf, Lauf, Kraft, Drama. Für die einen herrlich, die anderen schmerzlich. Richtig? Gerecht? Selbstgerecht? Ungerecht? Fußballerherz, was willst mehr? Normalität neu!
Unseren Hasi, überwucherte steirische Eiche, die dazu nur noch süffisant lächelte, hat´s noch härter getroffen, gleich mehrmals, weil schon doppelt besser hält. Duell mit Aston Villa, frühes 0:1, dann der Ausgleich…? Referee korrigiert: Abseits! Doch noch Ausgleich in der Extra-Time, 94. Minute? Ja, der Ball, ist drin, 1:1 – oder doch nicht? VAR schreitet ein, am Display werden Linien gezogen, es wird gezoomt, um alles bis ins kleinste Detail zu studieren und nicht zu irren. Halt, da haben wir´s: Ings, der kleine Saints-Star aus Liverpool, stand zwar nur auf gleicher Höhe mit der AV-Abwehr, aber… Was aber? Er hatte die linke Hand ein paar Zentimeter weiter vorn? Was, die Hand? Ja, die Hand, ganz so, als würde im Fußball der kleine Finger entscheiden. Also (für Puristen völlig zu Recht): Abseits, kein Tor, kein Punkt, sondern eine Null und Watschen fürs Selbstvertrauen.
Da ein Unglück selten allein kommt, setzte sich die Hasi-Pechserie trotz des Wechsels vom Süden ins Midland nach Manchester nahtlos fort. Zweite Minute, erste rustikale, harte Attacke des Debütanten Jankewitz, schon gab´s Rot und mit einem durch Corona, Verletzungen, Sperren sowieso schon letztem Aufgebot ein ganzes Match zu zehnt gegen elf (obendrein nominell und qualitativ bessere) Spieler. Es kam, wie es kommen musste, zur Pause stand´s schon 4:0. Aber dann gab´s, so dachte man als TV-Konsument, eine kleine Mut-Injektion mit einem Gegentor. VAR war dagegen, Referee nach langem Hinschauen und Aufgliedern detto: Wieder so ein klares Abseits, diesmal mit der anderen Hand, die einen Tick vorn war, zwei, fünf oder 6 Zentimeter, wer weiß? So lächerlich wie der mehr als umstrittene VAR-Elfer in der Endphase, der zum 7:0, zur zweiten roten Karte und zum zweiten Kegelresultat führte. Man hätte auch dem Red Devil eine Gelbe fürs Hinfallen nach Kaum#-Berührung geben können. Konjunktiv.
Beim Barte des Hasi einfach haarsträubend, nicht an den Haaren, aber von VAR´s selbstherrlich herbeigezogene Entscheidungen, die nicht alles, aber vieles beeinflussen, verändern, sogar auf den Kopf stellen. Der Fußball wird aufpassen müssen, dass diese (Fehl-)Entwicklung im Namen der Gerechtigkeit nicht ins Gegenteil umschlägt. Dann nämlich, wenn die Tribünen nicht mehr leer, sondern gefüllt sind mit emotionalisierten, womöglich aufgeheizten Fans, denen angesichts des so fortschrittlichen, aber für den Fußball-Normalverbraucher unverständlichen Regel-Absurdistan das G´impfte auf- und das Temperament durchgeht. Davor sei schon jetzt gewarnt!
PS: Hinzufügen möchte ich noch, dass es sich um kein weinerliches Plädoyer für Ralph Hasenhüttl handelt, der schon vor Wochen warnte, dass es irgendwann abwärts gehen würde mit seiner Truppe, deren größte Stärke angesichts des vergleichsweise kleinen, konkurrenzfähigen (Spieler)Kaders auch ihre größte Schwäche ist: Wer wie die „Saints“ zu ebener Erde immer und überall bis zum Umfallen kämpfen, laufen, kratzen, beißen, spucken muss, dem geht früher oder später halt mit der Kraft auch die Luft aus. Und wenn er dank Hi-Tech zusätzlich noch eine auf den Deckel kriegt, dann ist halt bald Flasche leer. Selbst ein aufgemotzter VW kann kein Formel-1-Auto überholen.