Skifahren

Von nebulosen Abwärtsspiralen und sichtbaren Nachwuchslücken, die den ÖSV plagen

Bei den vielleicht letzten Speedrennen in Lake Louise hatten die Abfahrtsdamen noch die ÖSV-Ehre und die rotweißroten Fahnen halbwegs hochgehalten mit Topresultaten. Allerdings bei teils ausgezeichneten Bedingungen im Gegensatz zur umnebelten, verschneiten WM-Abfahrt von St. Moritz, wo es am heutigen Freitag ein ähnlich vernichtendes, niederschmetterndes Debakel gab wie zuletzt in den Slalom- und Riesenslalombewerben von Sestriere. Ja, was soll man da noch sagen, wenn es die Skination Nummer 1 nicht einmal schafft, eine einzige Läuferin unter die Top 10 zu bringen.

Und bezeichnender Weise just jene Conny Hütter, die mehr als zwei Winter nach diversen Operationen ausgefallen war, als Elfte noch die beste der ÖSV-Damen war, die unter schwierigen Verhältnissen ihren Erwartungen wie der Konkurrenz aus Italien, Schweiz, USA, Norwegen hinter her gefahren waren, am aller weitesten frühere Sieg- und Podest-Läuferinnen wie Siebenhofer und Scheyer. Und was soll man obendrein noch sagen, wenn Italiens Speed-Queen Sofia Goggia sich bei einer Kollision mit einem Tor die Hand bricht, nichtsdestotrotz aber noch auf Platz zwei rast?

Nichts Genaues weiß man nicht und grau ist manch eine der Theorien, warum sich die rotweißroten Ski-Damen ausgerechnet unter dem Regiment einer Präsidentin in einer atemberaubenden Abwärtsspirale befinden, die sich dreht und dreht und dreht. Ja, wer trägt die Schuld daran, dass alles so schief läuft wie seit Jahrzehnten nicht mehr? Hat der neue Damencheftrainer die Gruppe u. a. auch mit einer Truppe nicht im Griff? Oder leidet der neue Trainerstab unter den Folgeschäden, die der Vorgänger hinterlassen hat, unter dem ja auch abseits von WM und Olympia immer weniger statt immer mehr gewonnen worden war?

Liegt´s etwa gar an der Wohlfühloase, weil ja die ÖSV-Kader angesichts der noch vom Topmanager Schröcksnadel mit Sponsor-Millionen gesicherten Budgets auf Rosen gebettet zu sein scheinen? Fahren einige zu schlecht, weil´s ihnen so oder so zu gut geht? Fragen über Fragen, die sich da auftun, mit einer einzigen Antwort aber kaum zu klären sind. Und trotz des ersten Saisontriumphes der Skiherren in Gröden habe ich da meine Zweifel, wie es ausschaut, wenn die Olympiasieger und Weltmister Mayer und Kriechmayr die Ski ins Eck stellen. Auch „Jungstar“ Hemetsberger ist schon im 32. Lebensjahr …

Der in vielen ÖSV-Rollen in vielen Epochen erprobte, geeichte und erfolgreiche Alpinchef Herbert Mandl hat im Herbst beim Gespräch im Stanglwirt davor gewarnt, dass es nicht leicht sein würde, die Nachwuchslücken zu füllen, die sich auftun und aufgetan haben. Übrigens nicht zuletzt des allzu starren Punktesystems wegen, das ja einst fast den Himmelsturm des Herminators verhindert hätte. Die Angst, aus Kadern zu fliegen, und die Befürchtungen, da oder dort nicht starten zu dürfen, führen offensichtlich, wenn man einem Experten wie Mandl glauben kann, nein: muss, zu mentalen Blockaden. Er macht sie als Musterbeispiel an keiner Abfahrerin, dafür der Weltmeisterin und Team-Olympiasiegerin Katharina Liensberger fest, die Fröhlichkeit nur noch im TV-Werbesport ihres Sponsors versprüht.

Das kluge, aber oft eigenwillige Köpfchen, zuletzt peinliche Karikatur seines großen Könnens, soll beim privaten, vom neuen Solo-Betreuer Livio Magoni organisierten Training mit Petra Vlhova die slowakische Olympiasiegerin in jedem Lauf bis zu fünf Zehntel abgehängt haben. Im Weltcup-Ernstfall aber hat sie den Schalter offenbar in die falsche Richtung gedreht. Wenn dem so ist, dann ist´s weder ein skiläuferisches noch ein Materialproblem, sondern Kopfsache. Nichts im Sport ist so gefährlich wie die Angst vor dem Versagen, die schnurstracks eben dorthin führt. Sie auszutreiben wird jetzt die wichtigste Aufgabe und Herausforderung des Trainerstabs sein, der beweisen muss, dass er über Milchmädchenrechnungen hinaus entweder Einfühlungsvermögen besitzt oder aber, wo angebracht, eine Rute ins Fenster stellt, die Beine macht…

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