Ja, hätte im Prater nicht ein bisschen ein Wind geweht, es hätte nicht nur bei den Frauen einen neuen, tollen Streckenrekord (Titelverteidigerin Chepkirui in 2:20,59) geben können, sondern womöglich auch bei den Männern. Wie auch immer, der Vienna City Marathon 2022 blieb, wie gehabt, fest in afrikanischer, mehr noch: kenianischer Hand mit weiblichem Triplepack und nicht weniger als acht Mann unter den Top 10! Was einst mit dem legendären Barfußläufer Abebe Bikila aus Äthiopien noch als sensationelle Premiere in Rom 1960 begonnen und in Tokio 1964 wiederholt hatte, das ist längst Alltag in der Weltelite geworden mit wenigen, immer selteneren Ausnahmen, die aber noch seltener von Europäern geliefert werden, schon gar nicht Herren der Schöpfung.
Wien war fest in kenianischer Hand: Vibian Chepkirui (links) und der „Schulkind-Jäger“ Cosmas Muteti.
Da es sich beim Sieger Cosmas Muteti (2:06,53) anfangs nicht gerade um eine Plaudertasche handelte, und da auch das seit Jahren hierzulande lebende und eingebürgerte Ostafrika-Kind Lemawork Ketema trotz der von der Temperatur her günstigen Bedingungen nicht nur den persönlichen Rekord, sondern auch das EM-Limit verpasste, hatte wieder einmal das mediale Liebkind Andreas Vojta erst als Theuer-Schrittmacher laufend bis trabend, dann ausführlich im Studio redend seinen Auftritt. Bei allem Respekt vor buchstäblich laufenden Steigerungen des Bürgermeistersohnes aus Gerasdorf, die international nur Mittelklasse sind – die allzu rosige Marathon- und Halbmarathon-Zukunft, die er für sich im Interview schon vorwegnahm, hat sich wohl leichter gesagt als getan.
Zwar sind die 2:23,21 Stunden des Marathon-Neulings dafür, dass er eigentlich nur Pacemaker gewesen war ohne Absicht, ins Ziel zu kommen, durchaus beachtlich, gar keine Frage. Aber die mehr als 13 Minuten bis zum Rekord des rekonvaleszenten Salzburgers Peter Herzog (Zweiter im Halbmarathon) und die gute Viertelstunde bis zur Siegerzeit Mutetis („Marathon ist wie Jagen!“) in diesem Jahr sind mehr als harte Nüsse, die so leicht nicht zu knacken sind, wenn überhaupt. Und Top-Zeiten sind in Zeiten wie diesen auch unabdingbar, um internationalen Maßstäben gerecht zu werden. Alles andere ist eine ziemlich kurzsichtige, ziemlich regional eingeschränkte Lobhudelei, die mit realer sportlicher Einschätzung wenig zu tun hat. Im großen Rahmen eines trotz kleiner Hoppala wieder perfekt organisierten Marathon-Spektakels mit Spitzenleistungen echter Spitzenklasse aber blieb´s ein kleiner rotweißroter Tupfen. Wir aber wollen uns doch eigentlich immer und überall an den Besten messen, oder lieg ich da etwa falsch … ?
PS: Hut ab vor Lemawork Ketema, der nach dem Rennen meinte, „dass man solche Tage akzeptieren muss, an denen nichts klappt, dass starker Gegenwind zum Lusthaus war, ich dann einmal noch falsch abgebogen bin, die Schrittmacher nicht gepasst haben und ich dann ab km 26 allein hab laufen müssen.“