Welch ein Abschied! Erst hat er, gezielt oder ungewollt, einen Ball in einer kleinen Lücke zwischen Pfosten und Netz unerreichbar ins gegnerische Feld gezirkelt und damit alle in Erstaunen bis Entzücken versetzt. Dann hat er trotz Zauberballs das aller letzte seiner 1572 Tennismatches verloren. Nicht dem 1252. Sieg aber weinte Roger Federer nach, sondern seiner einzigartigen Karriere mit 20 Grand-Slam-Titeln, 103 Turnier-Siegen und 310 Wochen als Nr. 1 der Tenniswelt. Ja, der Herr der Bälle ließ den Tränen in der O2-Arena von London vor Tausenden Zuschauern, Mitspielern und Gegner aus aller Welt bei dem von ihm initiierten Rod-Laver-Cup freien Lauf, weil ihn die Emotionen übermannten.
Scheiden, so sagt ein Sprichwort, tut weh. Vor allem dann, wenn man mehr als zwei Jahrzehnte lang in seinen Sport verliebt und dabei sportlich auch mit dem Erfolg stets verheiratet war. Da sein Tennis mit Naturtalent gesegnet und auf das Spielerische aufgebaut war, also so etwas wie die Leichtigkeit des Seins, hat es stets auch irgendwie den Schein erweckt, als wäre das Kämpferische eher Nebensache gewesen. Aber hätte in diesem Genius nicht auch ein großer Kämpfer geschlummert, dann hätte er sich im Herbst der Karriere als angehender oder schon mehr als 40er nicht immer wieder in der Hoffnung am Knie operieren lassen, es noch einmal zu versuchen. Ganz sicher sogar ein Kämpferherz, das ebenso sicher und verständlich dem Grand-Slam-20er am liebsten noch den einen oder anderen hinzufügen hätte wollen. Eine Frage der Rekorde, nicht des Geldes und Abermillionen, die er auf der Kante hat.
Wenn jetzt bei seinem Abschied die übliche Floskel immer wieder gehört, gelesen oder zitiert werden sollte, dass wir Federer vermissen werden, dann stimmt´s ja so nicht wirklich, weil es ja den Superman so gut wie eineinhalb Jahre längst nicht mehr gab als Überdrüber-Tennisstar, sportliche Galionsfigur und polyglotten Gentleman in aller Welt. Was wir bei allem Respekt vor den Epigonen von Alcaraz bis Sinner, von Ruud bis Zverev und anderen jungen oder Junggebliebenen nur noch in der TV-Retrospektive sehen können, aber auf den Sand-, Rasen- und Harzplätzen rund um den Globus vermissen werden, das ist die Aura an majestätischer Eleganz, die ihn von manch Verbissenheit anderer Granden abgehoben hat.
Ein Nadal und ein Djoker haben ihn an Grand-Slam-Siegen zwar auch der Verletzungen, Operationen und Zwangspausen wegen inzwischen übertrumpft, was aber die Grandezza betrifft, so konnten und können sie einem Federer nicht das Wasser reichen. Da war er kein angelernter, sondern angeborener Meister seines Faches. Eben ein Maestro, der wie kein anderer in die Saiten greifen konnte. Mit ihm weint die Sportwelt einem Unikat nach … So gesehen ist eben nicht mehr alles Roger!