Russland führt Krieg gegen die Ukraine. Was Wladimir Putin bewogen hat, diesen Angriff auf den (allerdings zu einem guten Drittel zumindest russenfreundlichen) Nachbarn zu starten, kann ich nicht sagen, weil ich es nicht weiß. Ist auch nebensächlich. Tatsache ist, dass der autoritäre Russen-Präsident nicht nur unten durch ist im Westen der Welt, sondern zum Gottseibeiuns, wenn nicht Stalin oder Hitler der Gegenwart degradiert wurde. Und Tatsache scheint auch zu werden, dass die ohnehin schon als notorische Dopingsünder negativ besetzten russischen Sportler jetzt dabei pauschal in Sippenhaft genommen werden nach dem Motto: Haut sie raus, die Kriegstreiber, wenn nicht Kriegsverbrecher, die bei unseren Wettkämpfen nichts zu suchen haben.
Ob man Putin damit, was ja der Sinn dieser Ausschluss-Strategie ist, wirklich ins patriotische Sportlerherz trifft oder gar dazu zwingt, die Waffen ruhen zu lassen, wage ich nicht zu prophezeien. Dass Russland als Veranstalter geächtet und boykottiert wird, und dass auch russische Nationalteams nicht mehr bei Groß-Events antreten dürfen, das ist eine durchaus angemessene Reaktion und Sanktion, gar keine Frage. Aber alle russischen Sportler, quasi Fluch der Geburt, so Mir-nichts-Dir-nichts auszuschließen, es sei denn, sie würden Putin und Kommilitonen offen und öffentlich, also medienwirksam verurteilen, das halte ich persönlich für falsch. Guter oder böser Russ´, das kann im Weltsport der Weisheit letzter Schluss wohl kaum sein, oder?
Mitgehangen, mitgefangen, selbst schuld, dass du von dort kommst – dieses Motto gegen Topathleten zu verwenden, die als Berufssportler von Wettkämpfen leben, das stört mein Rechtsempfinden ebenso wie der unentschuldbare Raketenangriff von russischer Seite. Soll Daniil Medwedew, kaum dass er den Serben Djokovic nach 361 Wochen an der Spitze als neue Nummer 1 der Tenniswelt abgelöst hat, gleich wieder vom Thron gestoßen, also ausgeschlossen werden, wie es – versteht sich von selbst – der Verbandschef der Ukraine fordert? Ist der Pass-Russe, aber polyglotte Tennis-Globetrotter namens Medwedew jetzt ein Verbrecher, der für die Putin-Sünden büßen muss? Und ein Schuss Zynismus schwang schon mit, als der Ukraine-Tennischef meinte, da und dort könnte Medwedew ja ATP-Turniere spielen, aber keinen der vom Weltverband ITF organisierten Grand-Slams von Paris bis US-Open – „und dann kann er auch nie Nr. 1 bleiben oder werden!“
Ich finde, dass die neue Ski-Präsidentin Roswitha Stadlober mit ihren Aussagen im Servus-TV bei „Sport & Talk im Hangar“ schon den richtigen Ansatz wählte, als sie sich als Ex-Vizeweltmeisterin und Weltcup-Slalomsiegerin gegen den pauschalen Ausschluss aller Russensportler aussprach. Und das, obschon etwa ihre Tochter Teresa davon angesichts der Loipenstärke der russischen Langlauffrauen profitieren würde. Und wer weiß, vielleicht werd´ auch ich noch insofern „beglückt“, dass aus der zu einem Teil von mir verfassten Schröcksnadel-Biografie das Kapitel entfernt werden soll, in dem unser Ski-Napoleon mit dem damals neuen Kreml-Chef und WM-2001-Stargast von St. Anton, Wladimir Putin, inzwischen weltweit geächteter „Polit-Paria“, gemeinsam am Sessellift schaukelten, um dann mit heimischen, skitauglichen Bodyguards zu Tal zu schwingen … ? Und ist Karl Schranz, der olympische Märtyrer und Held der Ski-Nation, jetzt keine Allzeitgröße mehr, sondern ein Außenseiter der Gesellschaft, weil ihn mit Putin eine langjährige Freundschaft verbunden hat?
Da ich als kleiner Bub die Kriegsfolgen mit Bombentreffern und Trümmerhaufen, begleitet von großer Russen-Phobie, ebenso erlebt hab´ wie jahrelangen Kalten Krieg, wirtschaftliche Blütezeiten und politische Wenden, sind mir kriegerische Auseinandersetzungen schon immer ein Dorn im Aug´ gewesen. Natürlich erst recht, wenn sie sich nicht einmal tausend Kilometer von unserer Grenze abspielen. Also kann unsereins nur hoffen, dass statt des verbalen, auch medialen Säbelrasselns möglichst schnell Vernunft einkehrt, damit die Waffen endlich schweigen (können).