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Ein Nadal ohne Spielpraxis hielt Thiem den brutalsten Spiegel der Realität vor

Ich war bereits dabei, mir Gedanken über einen Blog zur ernüchternden 5:7, 1:6-Niederlage von Dominic Thiem im Doch-Nicht-Blockbuster gegen Rafael Nadal zu machen, ehe binnen Minuten ein Anruf von Tennis-Experten und Tennisfans den anderen jagte. Ich konnte in meiner Wahlheimat Kitzbühel bar Pay-TV das anfangs offenbar ausgeglichene, dann einseitige Duell nur im Live-Ticker und nicht im Fernsehen verfolgen, also auch über die Qualität des Thiem-Auftritts in Brisbane nichts Objektives sagen, ehe ich fast bombardiert wurde mit nicht nur harscher Kritik an der Karikatur eines ehemaligen US-Open-Siegers und Weltranglistendritten.

Nicht aus meiner Feder, Pardon: meinen Fingern, sondern aus dem Munde obengenannter Tennislehrer, Sport-Freaks und jahrelang auf gutem Fuß mit Dominic stehenden Sportjournalistenkollegen hörte ich immer wieder die gleiche vorwurfsvolle Frage: Warum steht der Thiem unter Denkmalschutz bei Fernsehstationen? Haben die den Sky-Kommentator eingekauft? Bei allem Respekt, was er vorher gewonnen hat: Was denken sich alle, die eine Qualifikation gegen mehr oder weniger junge Nobodys als tolles Comeback hochjubeln und eine Niederlage gegen einen 20fachen Grand-Slam-Sieger als normales Resultat betrachten? Und anderes, oft nicht Druckreifes mehr.

Was der Name Nadal im Tennis für einen Klang hat, braucht man ja angesichts seiner Grand-Slam-Siege auf allen Belägen und nicht nur Pariser Sand (14) nicht weiter erläutern, die sprechen für sich. Man sollte aber halt nicht verschweigen, dass der Spanier aus Mallorca einen schwierigen operativen Eingriff in der Hüftbeuge ebenso hinter sich hatte wie eine einjährige Spielpause … Jawohl so gut wie ein Jahr, seit er als Titelverteidiger schon in der 2. Runde der Australien Open (Mitte Jänner 2023) verloren hatte. Und wie wichtig Spielpraxis beim Schlagabtausch im Tennis ist, darüber hat ja auch Dominic Thiem seit drei Jahren immer wieder räsoniert, um noch kurzen Höhenflügen in peripheren Turnieren wieder auf den Boden der Tatsachen zu landen.

Und bei aller Anerkennung, was er einmal geleistet hat, so wäre es viel wichtiger als alle Schönfärberei von Niederlagen, in den Spiegel der Realität zu schauen. Er wurde ihm noch nie zuvor so brutal vorgehalten wie von jenem Rafael Nadal, der als Enddreißiger aus einer endlos langen Verletzungspause kam, um in zwei Sätzen gegen einen ehemals alten, ziemlich ebenbürtigen Rivalen (Bilanz 10:6) zu gewinnen.

Das, werte Blog-Leser, sollte als Alarmsignal auch für Dominic Thiem und sein Team samt dem vordem so gut wie unbekannten Coach Benjamin Ebrahimzadeh dienen, um die richtigen Schlüsse und nötigen Konsequenzen darauf zu ziehen. Der zum Thieminho geschrumpfte bis degradierte Topstar von vorgestern ist nicht mittendrin in einem glorreichen Comeback, sondern wie die vielen Telefonate auch früherer Fans beweisen drauf und dran, seinen Ruf zumindest aufs Spiel zu setzen. Ob es sich nach ziemlich viel verschwendetem Geld auch noch ungeniert leben lässt, wenn der Ruf einmal ruiniert ist, das wage ich zu bezweifeln. Irgendwann ist womöglich Schluss mit diesem Zirkus …

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