Na, sie Nestbeschmutzer, werden sich heute meine Schwimm-Kritikaster die Hände reiben: Was sagen´S jetzt zur Lena Grabowski, die mit tollen neuen Rekorden über 200m Rücken (2:08,60/2:09,12, vorher 2:10,06) ins Finale der Schwimm-EM in Budapest eingezogen ist? Na, und Simon Bucher, der in 51,80 den Jukic-Rekord (London 2012) über 100m Delfin und dabei als sechster OSV-Schwimmer das Olympialimit geknackt hat? Oder mit Heiko Gigler, der im Swim-off mit toller Rekordzeit (22,05) nur um ein Haar am Olympialimit über 50m Kraul (22,02) vorbeigeschrammt, aber ins Semifinale und insgesamt auf PIatz 11 geschwommen ist? Noch dazu ist Heiko einer, der von einem Mann aus der hier allerdings aus anderen (familiären) Gründen kritisierten Sportkommission trainiert wird, dem gebürtigen Prager und US-Uni-Absolventen Jakub Maly…
Gemach, gemach, ruhig Blut, ruhig Blut, meine Feinde! Was Simon Bucher betrifft, so war er schon Junioren-EM-Medaillengewinner, also ein großes Versprechen, das er mit dem Wechsel von Tirol nach Linz und in optimale Trainingsbedingungen jetzt einlöst. Und was Gigler, den Graz-Studenten aus Spittal anbelangt, so hat er vom pensionierten Meistermacher Ferdinand Kendi auch als Lagen- und Delfin- wie Brustschwimmer eine grundsolide (Ausdauer-)Basis erhalten. Und von der profitiert natürlich auch die 19jährige Burgenländerin Grabowski. Fräulein Lena aus Parndorf, die im Outlet gerne Make-up-Waren einkauft, gehört zu den Vorzeigeprodukten des ungarischen Südstadt-Trainers Balazs Fehervari, der aus ihr schon die erste, bisher einzige heimische Junioren-Vizeweltmeisterin (2019, ebenfalls Budapest) geformt hat.
Grabowski ist, anders als etwa die Ex-Kurzbahn-Vizeweltmeisterin Caro Pilhatsch, weder Sprintrakete noch Tauch- oder Wendenkönigin, sondern mit ihrer im Training angereicherten Ausdauer maßgeschneidert für die 200m-Strecke, auf der sie sich ja schon vor einem Jahr für die Tokio-Spiele qualifiziert hat. Und was ihre aerobe Kapazität betrifft, so hat sie ebendiese zuletzt bei einem dreiwöchigen Höhentraining in Erzurum, Türkei, zu Füßen des Bergriesen Ararat noch ausgebaut, das hat sie schon beim Rekord-Vorlauf gezeigt, als sie der italienischen Weltklasse-Dame Panziera auf den Pelz rückte.
Als altgedienter Schwimmhase und Insider, der seit 1970 mehr als drei Dutzend an EM´s, WM´s (Lang- und Kurzbahn) und Olympia erlebt hat, will ich damit anklingen lassen, dass sich der österreichische Schwimmsport in erster Linie über olympische (Teil-)Erfolge wie einst von Sonja Hausladen (1984, Olympia-7.) oder Vera Lischka (1996, Olympiafünfte), danach mit der vordem für illusorisch gehaltenen Medaillenflut durch Markus Rogan, Maxim Podoprigora und Mirna Jukic bei Olympia, WM und EM auf der 50m-Langbahn in den Medien wie in der öffentlichen Wahrnehmung definiert. Und genauso halten es, von wenigen Kurzbahn-Spezialisten einmal abgesehen, auch die wirklich großen Schwimmnationen und die wirklichen Größen des Schwimmsports, zu denen einst auch ein Rogan, ein Podoprigora und die Jukic-Geschwister gezählt haben und zu denen Felix Auböck schon gehört und zu denen sich Lena Grabowski, Simon Bucher und Heiko Gigler aktuell sozusagen auf dem Sprung dazu befinden.
Sie denken nicht mehr in den engstirnig-lokalen Regionen österreichischer Rekorde, die gemessen an der internationalen Entwicklung oft uralte Hüte sind. Sie alle hatten und haben das visionäre Ziel vor Augen, sich auf höchster olympischer (Langbahn)-Ebene mit den Besten der Besten messen zu wollen und zu können. Und sich nicht mit dem salopp dahingesagten Satz des früheren Verbands-Generalsekretärs Thomas Unger als Live-Stream-Co-Kommentators begnügen wollen, der sagte: „Ein Semifinale, was will man mehr…?“ Falsche Bescheidenheit ist nicht immer eine Zier. Die Großen schauen nie aufs erste Eck, sondern gehen ein paar Ecken weiter, um das wahre, große Glück zu finden. Auch und gerade im Spitzensport.