Wer sich anmaßt, kritisch zuu sein, muss auch nicht so angenehme Lokalaugenscheine mitunter auf sich nehmen, um am Ball, am Laufenden oder Schwimmenden zu sein. Also hab´ ich meinen alten polnisch-österreichischen Spezi Andrzej, einen der besten Trainer, die wie je hatten, aber ausgemustert nicht nur seines Alters wegen wie so viele andere Könner seines Faches und Kenner seiner Szene, davon überzeugen können, nach Samorin zur Junioren-EM der Schwimmer zu fahren. Dort, wo am heutigen Finaltag dieser Titelkämpfe ja 200m-Kraul-Sieger Giefing über die 400m am Start stand und als Drittbester aller acht Heats locker in den Endlauf schwamm.
Ehrlich gesagt, hab ich die Fahrt nach Samorin, das sich eher anhört, als wär´s irgendwo in der Ägäis denn zwischen Bratislava, Donau und Hegyeshalom, ziemlich unterschätzt. Man fährt und fährt nach der Autobahn zwischen Kleindörfern und Kukurruzfeldern, bis – nein, bis man jemanden an einer Tankstelle findet, der den Weg zum Sportzentrum nicht nur weist, sondern dorthin vorfährt. Dort, auf einem weitläufigen Grund, der sicher billig zu kaufen war, wurde das slowakische Olympiazentrum hingebaut mit einer riesigen Trabrennbahn, weil Pferde offenbar zu Bratislava gehören, mit einem Fußballstadion mit überdachter Tribüne samt Trainingsplätzen, Sand für alles, was mit Beach zu tun hat, sechs Tennis-Courts und einem Top-Hotel mit Gym, von dem aus man direkt zu Schwimmhalle (25m-Bahn) und dem 50m-Freiluft-Pool mit überdachter Tribüne, TV- und Medienbereich kommt. Eine wahre Sportoase in the Middle of Nowhere.
Nirgendwo, das galt leider für fast alle Jung-Österreicher, die dort auf die Startsockel stiegen mit Ausnahme jenes Christian Giefing, der wie früher der inzwischen emeritierte ältere Bruder beim Ungarn Balazs Fehervari in der Südstadt trainiert. „Chistian ist nicht nur noch talentierter als der Bruder, er ist auch ehrgeiziger, hat Fighting Spirit“, lobte der seit 11 Jahren hierzulande tätige Ungar, fügte jedoch an. „Die 400m sind aber eher schwierig.“
Selfulfilling Prophecy? Die skeptische Vorahnung trog Fehervari leider nicht, denn Giefing gingen vielleicht unter dem eher selbst auferlegten Erfolgsdruck im Finale mit dem Atem auch die Kräfte aus. Anfangs lag er noch vorn, dann auf den Medaillenrängen, ehe er am letzten Hunderter durchgereicht und nur Sechster wurde in 3:50,00 Minuten, 1,29 Sekunnn hinter dem russischen Sieger ohne Russenflagge, exakt eine halbe Sekunden hinter Bronze. Und in etwa zwei Sekunden hinter der Zeit, die der ehemalige EM-Schwimmer, US-Student und aktuelle OSV-Sportkommissär Jakub Maly insgeheim erhofft hatte, damit er als rotweißroter Erfolgsmohikaner eine zweite Medaille holt.
Giefing, einmal Gold, zweimal Spitzenzeiten, heute Blech – und dahinter ein Riesenloch, ähnlich wie eine Woche zuvor mit Triple-Brust-Sieger Luka Mladenovic gleichen Orts bei der U23-EM. „Einer vorn, dann nichts, das war doch schon immer so bei uns“, fand Maly, womit er aber für mich zumindest falsch liegt. Ich erinnere mich, dass 2001 in Fukuoka binnen 24 Stunden erst Podoprigora, dann Rogan zu WM-Silber schwammen, es von 2002 bis 2011 eine Medaillen- und Finalflut von mehreren Schwimmer: Innen gab, die sich um vieles mehr sehen lassen konnten als manch Ergebnis der aktuellen Nachwuchs-Medaillenrennen. Abwarten, was uns im Jahr eins nach Felix Auböck die Langbahn-WM in Singapur mit Martin Espernberger, Simon Bucher und Co. beschert. Und davor die EYOF,Jugend in Skopje.
Für den heute enttäuschten und etwas enttäuschenden Christian Giefing aber beginnt schon in den nächsten Tagen nach kurzer schöpferischer Puse der Countdown zur Junioren-WM in Otopeni-Bukarest (Mitte August). Ich bin mir sicher, dass er und sein Trainer Fehervari aus der heutigen Samorin-Lektion die richtigen Konsequenzen ziehen. Das erhoffe ich zumindest als kritischer Geist, der Erstklassiges sehr wohl (ein) zu schätzen weiß….

