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Hermann Maier 50: Einst Nimmersatt, der dem Schicksal trotzte, nun leiser Familienmensch

Hätte es da nicht die mehrmals tägliche Ankündigung gegeben, dass es zu seinem Fünfziger eine ORF-Doku geben würde, wäre der „Herminator“ mit den Augen fast schon aus dem Sinn gekommen. Das betraf weniger uns, die älteren Semester, als vielmehr die junge und jüngste Generation, die sein unverwechselbares, angriffslustiges, siegeshungriges Gesicht wohl nicht mehr vor Augen gehabt haben dürfte. Logisch, wenn inzwischen alles Hirscher war oder wieder ist auch darob, weil sich Hermann Maier als einst unvorstellbarer Familienmensch samt Frau und drei Töchtern total aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Selbst die Werbespots, in denen er komödiantisches Naturtalent bewies, gibt´s ja seit einem Raika-Managementwechsel schon längere Zeit nicht mehr.

Aber wenn er morgen seinen 50. Geburtstag feiert, wenn er als einer der Jahrhundertsportler das halbe Jahrhundert vollendet, kann man zur Feier des Tages auch einen Kalauer wieder aus der Mottenkiste holen: Mensch Maier, wie hast du es nur geschafft, vom ausgemusterten Teenager über den frustrierten Maurer zum Millionär aufzusteigen? Wie hast du es geschafft, trotz atemberaubender olympischer Purzelbäume gleich wieder im doppelten Goldrausch zu schwelgen? Wie hast du es geschafft, trotz des fatalen Zweirad-Crashs wie auf eineinhalb Beinen der Pistenwelt nach langer Zwangspause doch noch Löcher zu schlagen? Und damit als einer der Allergrößten aller Zeiten in die Ski-Geschichte einzugehen?

Ob Sailer, ob Schranz, ob Klammer, ob Filmstar, ob olympisches Stiefkind, ob olympischer Glücksritter, sie alle waren über die Szene hinaus große Stars, jeder auf eine andere Art oder in anderer Form. Aber nach seinem Einstand auf noch leisen Vorläufer-Sohlen, nach gebrochener Hand und verpasster Sestriere-WM, praktisch  ohne laute Ansage, brach Hermann Maier beim Garmisch-Weltcupdoppel 1997 wie ein Naturereignis in den Weltcup ein. Ein Typ, wie es ihn noch nie gegeben hatte davor. Ein Spätzünder, aus dessen Augen der Fanatismus leuchtete, dessen aufgerissener Mund die Gier nach Erfolgen signalisierte, ganz so, als wäre er bereit, mit Pisten auch die Konkurrenz zu verschlingen.

Ja, kaum war er gekommen, schon sah und siegte er in einer Mischung aus fast rücksichtlosem Draufgängertum mit perfekter Skitechnik, mit der er Zeit und Gegnern voraus war. Kein Herzensbrecher, sondern ein Nimmersatt. Hemmungslos. Auf und mitunter auch abseits der Pisten, wenn er nach dem Erfolgshunger auch den Siegesdurst löschte. Ein Kerl von einem Mann, der den geeichten Maurer nicht verleugnen konnte/wollte. Und manchmal ging mit dem Kind im Manne der Mutterwitz des gelernten Skilehrers durch, der mit ein, zwei Worten kurz und bündig Fragen beantwortete. Oft stereotyp reduziert und komprimiert auf ganze fünf Buchstaben: Fesch!

Aus welch Beweggründen auch immer er es überspielte, hinter dem öffentlich zur Schau gestellten, fast un- und übermenschlichen Kraft-Maier verbargen sich nämlich menschliche Reaktionen und Emotionen. Sie kamen spätestens in dem Moment auch telegen als unauslöschliche Eindrücke zum Vorschein, als der von Leinwand-Terminator Schwarzenegger zum Pisten-Herminator beförderte Maier 17 Monate nach dem folgenschweren Motorradunfall (August 2001) beim Super-G-Triumph in Kitzbühel (Jänner 2003) nicht in Siegesjubel ausbrach, sondern nicht nur, aber vor allem Freudentränen weinte. Vom eisernen zum  weinenden Hermann. Der Maier als Mensch – Mensch Maier!

Ja, er war und ist eine unverwechselbare Figur gewesen, an der sich die Geister schieden, auch im ständigen internen Konkurrenzkampf, der lautet: Maier gegen alle, aber vor allem gegen Eberharter, diesen gesättelten Anti-Maier von Kopf bis Fuß. Auch aus medialer Perspektive eine einzigartige Zeit der Schwarzweißmalerei unter den besten Pistenartisten ihrer Epoche. Den Gefühlsmenschen Maier durfte man noch einmal erleben, als er im Herbst 2009 unter kaum verhehlten Tränen seinen Rücktritt erklärte – als Pistenkaiser i. R. in der Hofburg, wo sonst?

Ein Abschied, wie er sich für einen zweifachen Olympiasieger, dreifachen Weltmeister, vierfachen Weltcupsieger mit insgesamt 16 Kristallkugeln gehörte. Und mit offiziell 54 Weltcup-Einzelsiegen, aber eigentlich 55 Erfolgen, weil ihm einer trotz Bestzeit in Val d´Isere aberkannt wurde. Disqualifiziert, weil er nach dem Ziel vor der roten Linie damals regelwidrig einen (Atomic)-Ski abgeschnallt und in die Kamera gehalten hatte. Nicht die einzigen roten Linien, die Maier überschritt.

Aber wäre er anders gewesen, wäre er nie der Herminator geworden, der sich in den Kopf gesetzt hatte, dem Schicksal zu trotzen und das Glück zu zwingen. Für die sanftere Seite als Familienmensch war nach dem Rennläuferleben immer noch Zeit genug. Dafür wünscht ihm auch sein ehemaliger Wegbegleiter nur das Allerbeste. Und vielleicht kommt er ja auch wieder einmal zu einem Skirennen abseits von seiner Flachau-Heimat. Zum Beispiel oder vor allem nach Kitzbühel, wo er sechsmal gewonnen und das sentimentalste aller seiner Comebacks erlebt und beweint hat…

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