Viele prominente Sportler, die ich gerufen, sprich: eingeladen hatte, kamen Montagabend auch zu meiner Buchpräsentation mit dem vom Echo-Verlag gewählten, etwas irreführenden Titel für skurrile G´schichten mit Weltstars und Allzeitgrößen: Auf d´Badehosn passt ka Sponsor. Vielleicht steckte da der Gedanke dahinter, dass meine Wenigkeit in 58 Reporterjahren vom Dianabad und der schicksalhaften Begegnung mit dem legendären Dr. Kurt Jeschko durch alle Wässerchen geschwommen ist.
Trotz krankheitsbedingter oder beruflich-familiärer Absagen gab´s eine schöne Starparade mit Olympiasiegerin und Eisgräfin Emese Hunyady, Goleador Hans Krankl, Anwaltsfreund Dr. Skender Fani, Fußball-Weltstar Franz Hasil, Rodel-Legende Markus Prock, Tennis-Profipionier Hans Kary, Daviscupper und Tausendsassa Schurl Pazderka, Extremsportler Sepp Resnik, Eishockey-Veteran Herbert Haiszan, den Landhockey-Granden Dr. Peter Proksch (Richter von Beruf) mit Apotheker-Frau Karin, Olympiaschwimmer Dr. Volker Deckardt, Fußball-Funktionär Peter Svetits, Bärbel Kupfer in Vertretung ihres erkrankten NY-Hotel-Gurus und Türöffners Karl Hofer, ORF-Regie-Star Peter Baumann, Buchgrafiker Ismail Örün, Ex-Fußballer (u. a. WAC, Ford Hinteregger mit Vizeweltmeister Kadraba) und Topjurist Bertold Graf Thunn-Hohenstein, in Vertretung des verhinderten Skiprinzen Hubertus v. Hohenlohe sein alter bürgerlicher Ski-Kumpel Erich namens Graf, Ex-Krone-Kulturmann und Komponist Meinhard (v. Rüdenau), PR-Spezialistin Antonia Arnold, Gerhard Moser (pensionierter US-Botschaftsangestellter), der Prater-Bezirksvorsteher Alexander Nikolai, Echo-Multimanager Christian Pöttler, Verlagschefin Ilse Helmreich, Bezirksblatt-Chef Hans Steiner, Askö-General Michael Maurer, das W24-Kamerateam, mein „Presse-Sport“-Nachnachfolger Markku Datler, und natürlich meine Familie mit Frau Judit, den Kindern Mariella und Severin, Schwester Hedy Bachinger, Familienfreundin Sigrun Reichelt etc.
Es war ein launiger Abend, der sich auf der Dachstein-Schladming-Alm b ei gedeckten Tischen von etwa 18h bis knapp vor Mitternacht hinzog und samt Wiesentänzen auch weitere Schnurren mit sich brachte, also Stoff für neue Anekdoten. Davor möchte ich aber in etwas komprimierter Fassung die skurrile Story aus dem aktuellen Buch über den ehemaligen „Presse“-Boten und verhinderten Boxprofi Kerschbaumer, der nie das Rampenlicht eines Fight-Abends erblickte, als Leseprobe und – no na – Kauf-Reiz (sehr preisgünstig 14,90) präsentieren.
Vom verhinderten Boxprofi zum Dressurreitexperten & Tontaubenschützen, dessen Nas´n heil blieb.
Der Tag, an dem unser Hans-ee (Orsolics) den unumstrittenen Champion Jose Napoles hätte herausfordern und als erster Österreicher um einen echten WM-Titel kämpfen sollen, der 20. November 1970, wurde endgültig zum Schwanengesang eines Idols. Weil er es anfangs verabsäumt hatte, den angeschlagenen Briten Ralph Charles auszuknocken, ging er später selbst schwer k. o. Regulärer Niederschlag? Oder irreguläre Niederlage, das war die Frage? Orsolics wollte ein „Break“, also ein Trennkommando des Ringrichters gehört haben, stand deckungslos da – und bums, schon lag er am Boden. Ausgezählt. Endgültiges Ende der Hansee und Box-Euphorie in der bis dahin ausverkauften Stadthalle. Und mit diesen K. o. beginnt eine der skurrilsten, bisher heute unveröffentlichten Geschichten, mit denen der Autor, der längst verstorbene Karl Marchart, der sein Corpus der Medizin vermacht hat, und ein Student zu tun hatten, der sich sein Körberlgeld in der „Presse“ verdiente. Als lauffreudiger Bote, der zwischen den Stockwerken 14 und 13 die zuvor sorgsam abgerissenen Telex-Meldungen unter den einzelnen Ressorts aufteilte. Der junge Twen, durchtrainiert und drahtig, 1,77m groß und ganze 62 kg leicht, hieß Cyrus Kerschbaumer, hatte gekräuseltes schwarzes Haar und war Sohn eines iranischen Botschaftsrates und einer Zahnärztin aus Wien, was Vor- und Nachnamen erklärt. In Kerschbaumer steckte ein Sport-Freak und Allround-Sportler, der sich für fast alles interessierte, was es gab, ob Fußball, Tennis, Ski, was immer.
Als ich gerade den Nachbericht, fast schon Nachruf, auf unser aller Hansee (Presse-Kommentar-Seite 3: „Box-Ritter von der traurigen Gestalt“) in die Schreibmaschine knallte, pflanzte sich der offenbar vom Orsolics-K. o. zumindest mental ebenfalls schwer getroffene Kerschbaumer neben mir auf, um mir die Gretchenfrage zu stellen: „Na, Herr Metzger, was mach´ ma denn jetzt mit´m Boxen in der Stadthalle?“ Das ging bei mir bei einem Ohr rein und beim anderen raus, eher gedankenlos meinte ich nur: „Was soll schon sein? Nichts! Niemand mehr da … Sie können sich reinstellen in den leeren Ring …“
Ja, was man halt so daher sagt, um irgendeine Antwort zu geben. Kaum war Kerschbaumer wieder aus dem Zimmer, war alles aus den Augen und vor allem Sinn. Als unser sportiver Bote anderntags ins Ressort geeilt war, um mir freudestrahlend mitzuteilen: „Herr Metzger, ich hab´s mir überlegt“, hat er mich total am falschen Fuß erwischt. Ich wusste nämlich nicht, worum es ging und wovon er sprach. Aber Cyrus ließ nicht locker: „Wissen´s nimmer, was Sie mir gestern g´sagt hab´n? Ich hab mir´s lang´ überlegt – ich mach´s!“ Darauf meine Wenigkeit: „Was wollen´s machen?“ „Na, reinstellen in den Ring in der Stadthalle, was sonst!“ Gegenfrage: „Haben´s überhaupt schon einmal ´boxt?“ Antwort: „Na, aber sonst hab´ ich fast jeden Sport g´macht, ich bin fit, ich trau´s mir zu, ich möcht´ unbedingt auch boxen. Und sie haben ja die Kontakte!“ Ich hab´ ihm dann versprochen, diesen Wunsch oder eigentlich dieses Experiment mit Karl Marchart zu diskutieren – und ihm dann Bescheid zu geben, ob´s überhaupt Sinn macht. Damit begann die skurrilste Unvollendete, nie beschrieben, nie gesendet, schamhaft verschwiegen. Darum ist höchste Zeit, sie endlich einmal zu erzählen, weil sie von A bis Z unglaublich wahr ist…..
Wir überspringen einige Absätze und fahren dann fort
….. Bevor Tat hätte kommen können, vergingen viele Trainingsmonate, gefüllt auch mit Dreharbeiten. Beim Lokalaugenschein einer dieser TV-Filmtage bewies der drahtige Syrus, dass er auch über Nehmerqualitäten verfügen würde. Beim Sparring steckte er manch harte Schläge locker weg, die andere umgehaut hätten – und zum Entsetzen Marcharts holte er mit seinem „Datschen“ nicht zum Gegenschlag aus. Unverständlich. Schon aus Selbstschutz. Sryus, ganz Diplomatensohn, kehrte da den Gentleman hervor. „“Ich kann doch“, meinte er, „einem Freund keine in die Gosch´n hauen!“ Absurde Argumentation im Box-Ring, wo Treff Atout sein sollte. In den von mir vorbereiteten Interviews, die Seefranz am Mittersteig führte, wird mir eines für immer in Erinnerung bleiben. Eine Schnurre vom Feinsten lieferte der Profi-Mittelgewichtsmeister Helmuth Stary, ein blonder Wuschelkopf, der – bei einem Geldtransport für Wiens Rotlichtszene – später mit seinem Auto in die Luft fliegen sollte. Frage von Seefranz: „Herr Stary, halten Sie es für möglich, dass man ein hervorragender Boxprofi werden kann, auch wenn man nie als Amateur geboxt hat?“ Die Antwort war so, als würde ein Kabarettist mit seiner Schlusspointe die Lachmuskeln kitzeln. Stary: „Wissen´s was, Herr Doktor, ob Amateur oder Profi, des is doch völlig wurscht. Die Nas´n is immer mitten im G´sicht!“ Dem war nichts mehr hinzuzufügen. Die Aussage ruht irgendwo in einem Archiv am Küniglberg. Ungehört. Ungesehen. Ungespielt. Für immer verstummt.
Wie alle anderen Szenen, die in einem knappen Jahr gedreht worden waren. Keine drei Wochen vor dem ersten Kampfabend, in dem Syrus Kersch (sein Name wäre aus plakativen Gründen in Kurzform gepresst worden) hätte präsentiert werden sollen, schlich der Immer-noch-Bote an. um mir ins Ohr zu flüstern. „Herr Metzger, ich muss mit Ihnen reden …“ Klar, dass mir da schon Böses schwante. Ich nahm Syrus zur Seite und fragte: „Was gibt´s, was ist los?“ Kerschbaumer drückte herum, ehe er es loswurde: „Herr Metzger, ich weiß, ich weiß, sie werden mich verfluchen, aber es geht einfach nicht … ich kann nicht boxen!“ Metzger: „Wieso, du wolltest ja das Ganze. Sonst hätten wir den Zinnober gar nicht ang´fangen. Hast auf einmal Angst? Oder bist nicht fit?“ Er rang, nein: er würgte um Worte, bis er die oder seine wahren Beweggründe aus- und ansprach. „Meine Mutter hat gedroht, dass sie aus dem Fenster springt, wenn ich wirklich in den Ring steig´. Und glauben´s mir, ich kenn´ meine Mutter. Die meint´s ernst!“
Später wurde aus dem verhinderten Boxer aus der Retorte ein Reitlehrer, Dressurreiter, Kampfrichter und noch viel später ein Tontaubenschütze, der Seniorenrekorde brechen sollte. Jedenfalls besser als a gebrochene Nas´n, die bekanntlich mitten im G´sicht ist.
Eckdaten: Josef Metzger, „Auf a Badhosn passt ka Sponsor, 168 Seiten, Echomedia Buchverlag, 14.90