Wer gestern Abend im Servus- oder Pay-TV das Mailänder Fußball-Derby im San-Siro-Stadion gesehen hat, der kam – wie auch unser Experten-Freund Jan Age Fjörtoft, stets Herz auf der Zunge – vor allem vor der Pause aus dem Staunen kaum heraus. Da beide Vereine ja im gleichen Fußballtempel spielen, hatte der AC Milan nur offiziell Heimvorteil, von dem aber wie von einem (inzwischen von Napoli entthronten) Meister die längste Zeit nichts zu sehen war. Nicht nur Jan Age, passionierter Hobby-Pianist, griff da angesichts des tollen Kombinationsspiels von Inter, gekrönt durch zwei schnelle Tore, mit verbalen Lobeshymnen in die Tasten – und in gleicher Schärfe mit Kritik an einem AC Milan, der von allen guten Geistern verlassen zu sein schien.
Auch unsereins hat sich gefragt: Was, diese Mailänder haben Salzburg mit 4:o zerlegt und dabei noch gut bedient? Fast so unvorstellbar wie manch eine (Experten)-Meinung, dass der Ausfall des Spielmachers Leao das Gesicht der ganzen Milan-Mannschaft so entscheidend verändert haben soll, dass sie kaum mehr wiederzuerkennen war, zumindest 60 von gut 90 Minuten nicht Das war ein Aspekt dieses zweiten Semifinalspiels, das in einem tollen Ambiente in einer tollen Atmosphäre in voller Hütte ganz schön viel Tempo, aber nur phasenweise auch hohe Klasse lieferte. Der andere betrifft die beiden Inter-Torschützen, die binnen elf Minuten dem entgeisterten AC Milan zwei K.o.-Schläge versetzten.
Zum einen den Bosnier Edin Dzeko, 37jährige Lukaku-Alternative mit Wolfsburg, ManCity, Roma-Vergangenheit, der als alter Schlaumeier ein Corner-Gerangel zu einem Volley-Traumtor nützte. Zum anderen den Armenier Mikhitaryan, auch schon 34, mit allen Klub-Wassern gewaschen und Vereinssalben geschmiert von Donezk über Dortmund, Arsenal, ManU, Roma bis Inter, wo er den letztlich vorentscheidenden Doppelpack der „Nerazzurri“ gegen die „Rossoneri“ schnürte.
Natürlich stimmt es manches Mal, dass Alter nicht vor Klasse schützt. Nichtsdestotrotz möchte ich bezweifeln, ob ein Dzeko oder Mhkitaryan trotz ihrer Meriten derzeit bei den absoluten Topklubs in der englischen oder spanischen Liga eine ähnlich wichtige Rolle wie in Italien spielen könnten. Auch wenn es ein Italien-Trio ins Viertelfinale der Champions-League geschafft haten und dank des Mailänder Duells ein Klub der Serie A im Endspiel der Königsklasse steht, so halte ich es für voreilig, von einer Renaissance des italienischen Klubfußballs in der Beletage zu sprechen. Dass Milan und Inter so weit gekommen sind oder kommen, hatte auch mit Losglück zu tun, das ihnen in früheren Phasen etwa Real Madrid oder Manchester City erspart hat.
Auch wenn Inter in erster Linie für das Fußball-Spektakel in San Siro verantwortlich zeichnete, so würde ich davor warnen, aus einem Mailand-Derby womöglich falsche Schlüsse zu ziehen. Wie Deutschland, noch Weltmeister 2014 und Champions-League-Sieger mit dem FC Bayern anno 2020, so ist´s auch mit den Euro-Elfmeter-Siegern aus Italien zuletzt eher bergab gegangen, was auch mit großen finanziellen Problemen zu tun hat, mit denen die Klubs zu kämpfen haben. So nebenbei auch der Fast-Finalist Inter, dem der verschuldete Generalsponsor abhanden kam. Und der sich darum auch die sündteure Chelsea-Leihgabe Lukaku nicht mehr leisten kann. Dzeko und Mhkitaryan aber werden trotz aktueller Totrrfolgr nicht jünger …