Radsport

Le Tour oder: Rad der Zeit hat sich gedreht

afp

Die Globalisierung verändert auch die Sportwelt, mal in dieser Hinsicht, mal in andere Richtung. Etiketten, mit denen Sportarten oder Sportler versehen waren, werden immer mehr und öfter als überkommene Vor- und Fehlurteile entlarvt. Lassen wir den erst bejubelten, dann verdammten Lance(lot) einmal beiseite, der mittlerweile ja offiziell gestrichen wurde – wer hätte, ehe Greg LeMond kam, sah und dreimal siegte, je für möglich gehalten, dass ein US-Radler die Tour de France gewinnt! Ja, das Rad der Zeit hat sich immer schneller zu neuen Hochburgen gedreht. Erst auf die bevölkerungsreiche, umsatzstarke Insel mit Bradley Wiggins, David Froome und Geraint Thomas. Mittlerweile aber wieder zurück nach Mitteleuropa zu unserem Nachbarn, dem kleinen Slowenien, das nicht mehr Einwohner hat als Wien, also etwa 1,8 Millionen. Und nicht einer, nein: gleich ein Duo aus der Nähe von Laibach hat in den Tagen der Alpenpässe und Bergankünfte die „Grand Boucle“ in eine Tour der Leiden für die Konkurrenz verwandelt.

Noch dazu zwei in jeder Hinsicht außergewöhnliche und trotzdem unterschiedliche Typen, um die sich ebenso außergewöhnliche Stories schreiben lassen. Ja, wann hat´s denn je einen Tour-de-France-Sieger in spe wie Primoz Roglic gegeben, der schon vor dem Himmelsturm im Radsattel als Junioren-Teamweltmeister und zweimaliger Continental-Cup-Sieger auf Sprungschanzen zu Höhenflügen angesetzt hatte? Eine Weltpremiere, keine Frage! Und wann hat´s je einen Jungspund wie seinen zehn Jahre jüngeren, ums Eck wohnenden Landsmann Tadej Pogacar gegeben, der schon als 20 und 21-Jähriger den etablierten Routiniers wie die Faust im Nacken saß und sitzt, wenn er ihnen nicht schon Fersen und Hinterräder als Mehrfach-Etappensieger zeigt!?

Ja, die Uhren gehen nicht nur wegen Covid19 anders als zuvor, weil es inzwischen ja auch rund um die Welt so gut wie keine (Trainings-) Geheimnisse mehr gibt, wie man was wird oder gar Großes schafft im Sportler-Leben. Oder, wie es der clevere Ex-Profi Gerhard Schönbacher sagt, der aus realistischer (Ein)Sicht seinerzeit lieber um die damals mit guten Prämien verbundene „Rote Laterne“ als Letzter im Klassement geradelt war statt ums Butterbrot im Niemandsland. „Warum sollten sich nicht ausgerechnet zwei Slowenen um den Tour-de-France-Sieg duellieren? Sie haben wie alle anderen auch nur einen Körper mit zwei Beinen, zwei Lungen, einem Herz und einen Kopf. Es kommt nur darauf an, was sie daraus machen!“ Sein Wort in aller heimischen Radsportler Ohren. Auch wenn wir auf breiter Basis da wie dort schon in der Szene ordentlich mitmischen – die slowenische Machtdemonstration beim größten aller Radspektakel sollte als zusätzliche Herausforderung dienen, dem Nachbarn zu folgen. Und zumindest einmal über sich selbst hinauszuwachsen. Auch die Rad-Welt ist ja klein geworden. Und eine Maus, die laut brüllt, muss ja nicht grau, sondern kann so gelb sein, dass andere der Neid frisst.

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