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Maradona oder: Gipfel an Augenauswischerei

Ich bin kein Argentinier, den der Herztod von Diego Armando Maradona bis ins Mark traf. Dabei hatte ich einmal im Leben sogar Gelegenheit, mit Diego an einem großen Tisch zu tafeln – 1995 war´s nach dem Champions-League-Finale  in Wien (Ajax – Milan 1:0) im Noodles-Restaurant im Künstlerhaus, das es leider auch nicht mehr gibt.

Aber nicht deshalb bin ich erschüttert. Und nicht deshalb kommen mir fast die Tränen. Was mich als altgedienten Journalisten betroffen und betrübt macht, das ist diese unglaubliche Heuchelei, mit der – Bad News is Good News samt dem altrömischen Gebot: De Mortuis nil nisi bene (Toten sagt man nur Gutes nach) – jetzt der verstorbene Fußballgott fast schon ungeniert in den Himmel gehoben wird.

Reden wir nicht von den Tabloids, der Regenbogenpresse und dem Boulevard, auch den Weltverbesserern, Oberlehrern und Gutmenschen aus der medialen Beletage war keine Skandalstory zu tief, kein Greuel-Foto zu erschreckend, kein Fettnäpfchen, in das Maradona getreten war, zu glitschig, kitschig und zu rutschig, um daraus keine negative Sensationsstory zu gestalten.

Die Gleichen, die ihn der Hand Gottes wegen als blasphemischen Lügner, Gauner, Schwindler bezeichneten, verneigen sich jetzt in Ehrfurcht. Die Gleichen, die ihn – es gibt, vergessen Sie in einem Atemzug nicht, keine Gleicheren als Gleichen, gell – als verhinderten Todesschützen (besoffen und mit Platzpatronen) gerichtlich verfolgt und auf die Anklagebank gesetzt haben, die haben jetzt dreitägige Staatstrauer verordnet und den Leichnam im Regierungspalast aufgebahrt.

Die Gleichen, die anno 1995 im Auftrag von FIFA und UEFA dem damals (wegen Kokainkonsums) gesperrten, aber einem der weltbesten Kicker aller Zeiten sogar Ehrenkarten fürs Wien-Finale verweigert hatten, forderten jetzt – siehe Bayern gegen Salzburg – zu einer Trauerminute für Diego Armando Maradona auf! Alles natürlich verbunden mit Krokodilstränen und nicht echten, die die wahren Diego-Fans vergießen.

Nur eine kleine Liste einer von oben diktierten, selbstredend unmittelbar vollzogenen Augenauswischerei, die ja in Zeiten wie diesen immer dreister und unverschämter geworden ist, allmählich dem Fass den Boden ausschlägt. Alles getreu dem Prinzip der sedierten Volksseele, der die Volksverdummung mit dem Motto folgt: Gib dem Affen Zucker. Diego Armando Maradona, dieses Fußballgenie voller menschlicher Fehler, muss angesichts dieser verlogenen Verkehrung einst verfasster medialer Tatsachen in dem wohl auch vom argentinischen Staat oder womöglich gar der FIFA spendierten Sarg rotieren…

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