Schon vor dem Anfang der Skisaison hatte er einen Schlussstrich gezogen, um danach zum Beispiel in Kitzbühel aufzutauchen, um als Bullen-DJ medienwirksam kräftig auf die Pauke zu hauen. Kurz vor Ende der Skisaison hat er nun den hinter vorgehaltener Hand schon länger kolportierten Rücktritt vom Rücktritt erklärt, weil er Mittzwanziger entdeckt hat, dass er zumindest mit seinem Alter ohne Ski und Rennlauf nicht auskommen kann.
Ich finde es schön und auch gut für den alpinen Skizirkus, dass ihm ein so bunter Vogel nicht davonfliegt, sondern nach einigen Flügelschlägen wieder ins FIS-Netz gefunden hat, allerdings nicht, wie es seine Spatzenfreunde schon lange ahnten, ins angestammte im hohen Norden, sondern in der südlichen Hemisphäre, wo bekanntlich dann Sommer ist, wenn es hier Winter gibt und umgekehrt.
Der langen Eingangsrede kurzer Sinn – die alpine Skiwelt hat Lucas Braathen wieder, aber nicht mehr unter der (väterlichen) Flagge Norwegens, sondern seiner gebürtigen Samba-Mama wegen für Brasilien, wo es viel Sand, aber höchstens in Andenauskäufern mal etwas Schnee gibt. Aber auf Skiern einen Samba tanzen, das habe er, so ließ der Nicht -mehr-DJ und wieder (Riesen-) Slalomläufer Braathen bei seiner Pressekonferenz in Salzburg wissen, halt mütterlicherseits im Blut und was Lizenz und Starterlaubnis betrifft, halt im Pass.
Wenn der Lucas, deklarierter Apostel der Freisinnigkeit, sportlich dort anschließt, wo er schon als junger Weltcupsieger war, dann könnte sich das Fußball- und Strandparadies demnächst unter den exotischen Skisiegerländern wie Australien, Neuseeland, aber auch Griechenland, Großbritannien und anderen, die vor allem im Freestyle-Sport erfolgreich sind, einreihen. Was zwar sicher im Sinne der FIS ist, um sich stolzer denn je als Weltsportverband zu präsentieren, aber nicht nur zähneknirschend von den Norwegern akzeptiert werden müsste, weil ihr entfleuchter Landsmann quasi zum Nestbeschmutzer wird.
Natürlich nicht nur, weil er so freiheitsliebend ist, was ihn ja nie daran gehindert hat, im Schoße des Verbandes groß gezogen worden zu sein, sondern nicht zuletzt der persönlichen Sponsorenverträge wegen, die sich mit jenen der Instanz nicht auf einen Nenner bringen ließen. Und da, der Mama sei Dank, die Türen nach Brasil offen standen, kann sie Freund Lucas nach einjähriger Steh- und Wartezeit auch leicht einrennen. Anders als einst Marc Girardelli, der als Lustenauer für und von Luxemburg eingekauft worden war, musste der gute Lucas ja nur Mama vorschützen, um Verband, Land und Kontinent zu wechseln.
Da sollte auch der ÖSV aufpassen, dass nicht auch heimische Skisportler: Innen mit Eltern aus verschiedenen Ländern auf die Idee kommen könnten, dem Braathen-Beispiel zu folgen. Victoria Olivier, die Juniorenweltmeisterin, hat ja väterlicherseits Südafrika-Blut und wie bei Marcel Hirscher rinnt solches von Oranje in den Adern der universellen Kitz-Alpinhoffnung Valentina Rings-Wanner, der nach Himmelstürmen warum immer im Tiefflug gelandeten Springerin Sara Marita Kramer und bei einem Mika Vermeulen, dem ersten Loipen-Podest-Läufers nach zwei verpfuschten Jahrzehnten, mit holländischen Eltern sowieso. Würden sie so ausschwärmen und in andere Nester fliegen wie der Norweger, wäre der sowieso mitunter ausgedünnte ÖSV noch um einige Talente ärmer…