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Reitlegende Simon 80: Wie uns deutsche Arroganz vor 50 Jahren den Hugo Nazionale bescherte

Aus den Augen, aus dem Sinn. Die jüngsten und jüngeren Semester kennen ihn nur noch vom Hörensagen, also vom Namen, ohne dass sie – vor einer löblichen ORF-Doku – ein Bild von ihm vor den Augen hätten. Ja, so ist´s halt, wenn einer der besten Springreiter aller Zeiten nach Jahrzehnten großer und größter Erfolge seinem Sport schon vor längerer Zeit über die Hürden in die Pension gegangen war.

Still war´s zuletzt um ihn geworden, um jenen Hugo „Nazionale“ Simon, der sprachlich nie den Pfälzer verleugnete, sich aber aus einer berechtigten Trotzreaktion heraus vor genau einem halben Jahrhundert seiner böhmischen k. und k.-Vorfahren und Wurzeln erinnerte, um fortan nicht mehr für die Deutschen, sondern für die sportliche Walheimat Österreich zu reiten. Jetzt erinnert man sich seiner wieder, weil er seinen 80. Geburtstag feiert. Einen Runden also. In alter Frische. Kernig und kompakt wie eh und je. Nur nicht mehr hoch zu Ross. Dafür aber neben Koppel und Weingut. Darauf muss man das Glas heben. Happy Birthday.

Zurück zu den Wurzeln der rotweißroten Simon-Karriere, von der anno dazumal kaum jemand geträumt hatte. Hugos Zorn und Rache entluden sich nämlich beim Streit um Olympia 72 in München, bei dem der deutsche Verband die Reiterehre von Simon wahrlich mit Hufen trat. Nicht Hugo wollte er in den Sattel heben – nein, nein, er wollte dem guten Simon seine vermeintliche Wunderstute Fair Lady unterm Allerwertesten ins deutsche Team ziehen!

Das schlug für den damals noch nicht, aber baldigen Austro-Pfälzer dem Fass den Boden aus. Hugo schied aus dem deutschen Verband aus, um sich beim ÖOC als Neo-Pass-Österreicher für München 72 zu bewerben. Wer gedacht hätte, unsere Olympier würden den Top-Reiter mit Handkuss nehmen, der hatte damals geirrt. Simon wurde die Qualifikationslatte für München ganz hochgelegt – unter die Top 3 müsse er beim legendären Hickstead-Derby in England kommen, sonst … Hugo schaffte die Punktlandung dank grosser Reitkunst wie ausgeprägter kämpferischer Ader.

Der „falsche“ Olympiasieg mit Gladstone anno 1980, der nicht zählt. Und mit ET das beste Duo alle Zeiten.

Hugo mit Flipper, gewinnreiches Pferd. Mit Margit ein Erfolgsgespann. Nidetzkey, Reporter, Freund und Teamchef.

Jetzt war der Beute-Österreicher aus Weisenheim am Sande also nicht am Sand, sondern Teil der ÖOC-Mannschaft um Hochsprung-Weltrekordlerin Ilona Gusenbauer, blieb aber mit Ausnahme weniger ÖsterreicherInnen – etwa ein gewisser ORF-Reporter namens Peter Nidetzky, inzwischen Kanzler-Schwiegervater – eine leicht zu übersehende kleine, unbekannte Größe, obendrein unterschätzt. Damals jedenfalls. Auch von mir, eher vertraut mit Funders, Lichtner-Hoyers oder Zobl-Wesselys. Erst recht deshalb, weil Hugo die Wunderstute Fair Lady abhandengekommen war – nicht durch Verkauf oder Verleih an Deutsche, sondern darum, weil sie mit einer Verletzung lahmte. So teuflisch kann Schicksal sein!

Und weil ÖOC-Vize und Schwimm-Boss Toni Weghofer, Gott hab´ ihn selig, die Werbetrommel für Wunderkind Niki Stajkovic (12) so laut gerührt hatte, saß unsereins dann im falschen Dampfer. Der überforderte Niki machte einen Bauchfleck, während neben dem Airport Riem unser „Springinkerl“ Simon nach dem ersten Umlauf auf Medaillenkurs lag. Gerhard Zimmer, damals mein Chef, ein geradezu fanatischer Journalist, schnauzte mich an, als hätte ich was verbrochen, sprach wie später noch des Öfteren von einem Treppenwitz der Sportgeschichte, dass die „Presse“, Organ der Beletage, womöglich bei einem historischen Triumph fehlen würde, da auch unser Kolumnist Kurt Jeschko, quasi Oberbereiter der Pferdesportsportszene, im TV-Studio und nicht in Riem eingesetzt war.

Der Kelch ging an mir vorüber, Simon aber wurde von München an vom Fluch der letzten Hürde vor allem bei Titelkampf-Entscheidungen immer wieder verfolgt. Damals kostete sie ihn im Sattel vom Ersatzpferd Lavendel griffbereites Gold – und die einzige Goldene, die er 1980 bei den Gegenspielen der Reiterei zu Moskau in Rotterdam auf Gladstone gewann, dem Pferd seines verunglückten Freundes Hartwig Steenken, scheint in den Annalen nicht aufm Gegenspiele zählen nicht.

Auch wenn er mit Thomas Frühmann, dem er als großer Rivale sozusagen die Sporen gegeben hatte, mit Münzner und Boor anno 1992 in Barcelona die Mannschafts-Silberne eroberte, so blieb Hugo Zeit seiner Karriere ein Stiefkind Olympias. Aber dafür hinterließ er seine Abdrücke mit dem historischen, allerersten Weltcupsieg im Scandinavium zu Göteborg, dem er zwei weitere Triumphe ebenso folgen ließ wie den Sieg im Großen Preis von Aachen, im Hamburger Derby und unvergesslichen Siegesritten in der Wiener Stadthalle.

Aus Zufall oder besser: Arroganz der Deutschen, war er nach Österreich gekommen, um hier aus einem sportlichen Mauerblümchen ganz nach dem Geschmack neuer Reitsportfans, aber auch der Veranstalter Frühmann und Nidetzky, ein tolles Fest für PIerde zu machen. Zum 80er bleibt nur, ihm das Allerbeste zu wünschen. Gesundheit und Glück, wofür ja als Symbol auch das Hufeisen steht…  

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