Die Erste Bank Open 500 in der Wiener Stadthalle, aber auch in der kleinen, feinen Dependance sind ein etabliertes, durch die Vielzahl an Topspielern auch international respektiertes Tennisturnier. Wär´s anders, würden ja nicht an die 10.000 Fans und weitere Tausend am Heumarkt die Hallen stürmen. Die Zeiten, da man von heimischen Lokalmatadoren abhängig war, Thiem und Co inklusive, sind inzwischen vorbei. Als die Auslosung schon in der ersten Runde einige Kracher mit sich brachte, darunter das Duell des Südtirolers Sinner mit de Tokio-Sieger und Senkrechtstarter Shelton, quittierte das Turnierdirektor Herwig Straka lakonisch mit den Worten: „So ist das bei einem 500er, es sind ja keine österreichischen Meisterschaften, die da ausgetragen werden!“
Und in der bald 50jährigen Geschichte des 1974 aus der Taufe gehobenen Turniers (Sieger der spätere, leider früh verstorbene Topstar Vitas Gerulaitis) mit wechselnden Generalsponsoren von Fischer über CA, BA-CA, Bank Austria bis zu Erste Bank und einer Fülle weiterer Sponsoren gab´s nur zwei rotweißrote Endspiele mit Skoff-Sieg gegen kranken Muster (1988) und Melzer gegen Haider-Maurer (2011).
Jetzt gehen die Uhren anders. Mehr noch, sie gehen sogar in eine konträre, andere Richtung als in anderen Sportarten, Verbänden und Institutionen. Während anderswo die russischen Sportler mehrheitlich als unerwünschte „Kriegsherren“ und/oder „Putin-Treue“ seit geraumer Zeit und wer weiß wie lange noch auch des amerikanisch-westlichen Einflusses, wenn nicht Diktat vom Spitzensport ausgeschlossen sind, damit auch manch WM-, EM- und Olympia-Resultate so relativiert werden müssen wie einst bei den Boykottspielen in Moskau 80 und Los Angeles 84, dürfen sie im Tennis mitmischen, nein: sie mischen Tennis auf! Nein, nein, nach dem Erstrunden-Aus für alle Österreicher ist Russisch in Wien sozusagen “Amtssprache“; mitunter sogar unberhörbar, wenn Coaches auf ihre Schützlinge einbrüllen.
Mit Titelverteidiger Medwedew, mit Rublew, Sieger 2020, mit Kachanow, Olympiazweiter 202UND 1, erreichten drei russische Staatsbürger die Runde der letzten Acht, wobei man nicht vergessen sollte, dass der Hamberger Zverev, Sieger 2021,nicht nur russische Wurzeln hat, sondern innerfamiliär auch Russisch spricht. Und dass es sich beim „griechischen Gott“ Tsitsipas um einen mehr als 50prozentigen Russenstämmling handelt, dessen Frau Mama nicht nur jahrelang bei WTA-Turnieren spielte, und deren Vater der sowjetische Fußballstar Salnikow war, der sogar einen olympische Goldmedaille gewann. Wenn nicht der Südtiroler Sinner aus Innichen oder der US-Amerikaner Tiafoe oder gar der Kroaten-Riese das verhindert, so wäre auch ein russisches Endspiel in Wien denkbar.
Daran sei erinnert und aufmerksam gemacht, wenn der Welt-Sport relativ einseitig nach Wunsch und Willen der Politik sanktioniert und relegiert. Man muss nur sine ira et studio zuschauen und auch zuhören, wie sich die russischen Tennisstars benehmen, was sie sagen und wie sie auch bei den Fans in Wien ankommen. Tennis hat´s vorgezeigt, wie man Brücken im Sport aufbaut statt sie auf höheren Befehl abzureißen. Die Erste BANK Open 500 oder “russische Meisterschaft“ ist ein Musterbeispiel, an dem sich andere Sportinstanzen orientieren sollten…