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Serena oder: Angesagte Rekorde finden selten statt

WTA

Grundsätzlich halte ich es für falsch, SportlerInnen-Generationen miteinander zu vergleichen. Oder, wie es Rekordsucht, Sensationslust oder Superlativendrang immer öfter gebieten, auch die Anzahl an Major- oder anderen großen Titeln, die sie allenthalben unter ganz anderen Voraussetzungen gewonnen haben. Wer sagt, dass in den Amateurzeiten ein vier Jahre von allen Grand-Slams ausgesperrter Tennisprofi namens Rod Laver (Aus/11) nicht die meisten der 16 möglichen gewonnen und damit einen Federer (20), Nadal (18) und Djokovic (17) hinter sich gelassen hätte. Ja, wer weiß? Schließlich hat er ja vor und nach der vierjährigen Profi-Sperre den Grand Slam zweimal geschafft, als wäre nichts dazwischen gewesen, also bei allen vier Majors (Melbourne, Paris, Wimbledon, US-Open) hintereinander in einem Jahr triumphiert! Außerordentlich. Einzigartig. Bis heute unübertroffen, obschon damals die Dichte an der Spitze zumindest so groß war wie heute mit Granden wie Hoad, Rosewall, Emerson, Newcombe, Roche, Stolle, Segura, Gonzales, Olmedo, Santana usw. Wie gesagt, nichts Genaues weiß man nicht. Alles nichts als Spekulation, weil sich Birnen eben nicht mit Äpfeln vergleichen lassen.

Bei den Tennis-Herren der Schöpfung jedenfalls muss keiner einem anderer und damit einem Uralt-Rekord aus einer anderen Zeit nachhinken. Bei den Damen hingegen ist es der bald 39-Jährigen, 23-fachen Major-Einzel-Siegerin Serena Williams wieder passiert – ausgerechnet in diesem speziellen Corona-Sommer, in dem sechs der Top 10 einen Bogen um die US-Open gemacht haben! Natürlich war auch die Babypause dazwischengekommen, in der sie Tochter Olympia zur Welt brachte, es ändert aber nichts daran, dass die amerikanische Power-Frau seit Melbourne 2017 immer wieder, insgesamt schon neun Mal, dem Doppel-Dutzend von Margaret Court-Smith (24 Einzel-Grand-Slams) vergeblich nachjagt. Und auch heuer ist nichts aus dem großen Traum geworden, dieses letzte Ziel oder gar noch den 25er zu erreichen, mit dem sie sozusagen unsterblich würde.

Mag sein, dass sie im Jungmama-Duell mit Viktoria Azarenka auch durch eine schmerzende Fußverletzung so behindert war, dass sie die Kontrolle über das Spiel verlor. Die ganz andere „Achillesferse“ im übertragenen Sinn aber scheint die (mentale) Besessenheit zu sein, den Rekord unbedingt einzustellen, wenn nicht zu übertreffen. Nicht nur im Sport, auch im Leben allerdings geht mit Gewalt so gut wie nichts, weil aus allzu verbissenem Kampf ganz schnell fehlerhafter Krampf, aus Leichtigkeit des Seins die Last der Sehnsucht und die Schwere des selbstauferlegten Drucks werden kann. Und sich dabei und dadurch Träume leicht in Illusionen verwandeln. Angesagte Rekorde finden in der Regel meistens nicht oder nur ganz selten statt..

In den beiden Runden davor war´s Serena noch zweimal gelungen, drohende Niederlagen in einen Sieg zu verwandeln – diesmal lief´s genau umgekehrt gegen eine Azarenka, die wusste, dass sie in einer fast aussichtslos scheinenden Lage nichts mehr zu verlieren, sondern alles zu gewinnen hat. Und so hat sie frisch von der Leber weg auch das Match noch umgedreht und damit Serenas Major-Titel-Ebbe um einen weiteren Grand Slam verlängert. Ob es für immer 23 bleiben oder doch noch 24 oder sogar 25 werden – diese Ziffern und verhinderte Serena(de) ändern aber prinzipiell nichts daran, dass das offenbar ewig junge Kraftpaket und Energiebündel Serena Williams mit ihrer mehr als 20-Jährigen Karriere als eine der besten Tennisspielerinnen aller Zeiten in die Geschichte eingehen wird. Unvergleichlich in ihrer Art und Persönlichkeit – auch und gerade deshalb, weil statistische Vergleiche immer hinken!

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