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Top-Thiem würde Schuss mehr Ego nicht schaden

afp/Samson

Früher hätte man – ausgenommen die besten Muster-Jahre – lauthals gejubelt, wären Österreicher(-Innen) erst im Viertelfinale der French Open gescheitert. Mit und für einen US-Open-Sieger wie Dominic Thiem gehen die Uhren aber inzwischen halt anders, da überwiegt die bundesweite Enttäuschung, auch wenn sich das Fan-Fußvolk, Medien inklusive, mit seinem tollen Kampfgeist in einem mehr als fünfstündigen Tennisdrama darüber hinwegtröstet. Ja, man schwärmt so sehr von diesem Nervenkitzel mit hochklassigem Schlagabtausch fast schon so, als hätte Thiem zumindest moralisch dieses epochale Duell gewonnen und nicht gegen den kleinsten aller Weltklassespieler, den nur 1,68m großen Argentinier Diego Schwartzman, nach vier Sätzen auf des Messers Schneide doch noch verloren.

Natürlich stimmt, dass die Pause für Thiem nach dem ersten Grand-Slam-Triumph und vor dem Aufschlag zu den French Open, seinem Lieblingsturnier mit zwei Finalteilnehmen, eher kurz geraten war. Und natürlich stimmt, dass der kleine Diegito, Laufmeter und Ballwand in einem, zuletzt in Rom auch einen Rafael Nadal abmontiert hat, also einer der gefährlichsten und unangenehmsten Gegner ist, den es nicht nur, aber ganz besonders auf Sand gibt. Trotzdem wird man mit Verlaub noch die Frage aufwerfen dürfen, ob es – Thiem-Geist hin, Fighting Spirit her – die optimale Taktik war, sich vom schlagsicheren, lauffreudigen Schwartzman in endlose, stundenlange Ballwechsel verwickeln zu lassen, die Energie und Kraft gekostet haben. So viel, dass am Ende so gut wie nichts mehr im Thiem-Tank war. Man hat´s beim aller letzten Stopp-Ball gesehen, der kaum seinen Weg bis zum Netz gefunden hatte. Komplett leer. Aus. Erledigt. Fixi und Foxi.

angesichts der Freundschaftsgesten bis Umarmungen der Amigos, so riefen sie unsereins auch Worte in Erinnerung, die der erst geholte, dann wieder entsorgte „Chefberater“ Thomas Muster mir beim Stadthallenturnier ins Ohr geflüstert hatte. „Dominic spielt ein unglaubliches Tennis“, so lobte der erste heimische Grand-Slam-Sieger (Roland Garros 1995) den präsumtiven Nachfolger. „Aber in meinen Augen ist er einfach ein bisserl zu nett und freundlich. Was mir bei aller Fairness und echten Freundschaften bei ihm abgeht, das ist so etwas wie sportliche Rücksichtslosigkeit, die zeigt: Hallo hier bin ich der Chef im Ring. Für mich muss er lernen, am Platz notfalls auch ein Arschloch zu sein, das den Gegner am Netz auch am Körper abschießt!“ Das habe nur mit Egozentrik zu tun, nichts aber mit „Winning Ugly“ a la Brad Gilbert, einst Stadthallensieger, Top-10-Spieler, Agassi-Coach und Bestseller-Autor, der – wie damals in Wien gegen Karel Novacek – auch Spiele mit (Hinter-)List und Tücke gewann.

Wie auch immer, zwischen Thiem, dem Star von heute, und Muster, dem Star von gestern, hat´s ja nur kurz gefunkt, bis es in Australien zum Kurzschluss kam, der das Thiem-Team vom Doch-nicht-Dream-Tom trennte. Hier konnte, um eine deutsche Anleihe zu nehmen, nicht zusammenwachsen, was halt aus verschiedenen Gründen nicht zusammengehört, weil es nicht zusammenpasst. Was immer dahinter steckt – letztlich ist Thiem wie jeder (Weltklasse-)Spieler in seinem (besten) Alter seines eigenen Glückes Schmied. Seiner eigenen Taktik. Seiner eigenen Erfahrungen. Und seiner eigenen Emotionen bis Überzeugungen. Auch wenn er ganz sicher nicht (mehr) auf Muster hört, dieselben könnte und sollte Dominic Thiem ganz ohne Selbstzweifel hinterfragen. Auch als Grand-Slam-Sieger und als Nummer 3 der Tenniswelt ist man mit 27 noch lange nicht frei von Fehlern und Versäumnissen. Je schneller er daraus lernt, desto eher wird er wie Phönix aus der Paris-Asche auftauchen. Nicht nur als Wien-Titelverteidiger und Lokalmatador, sondern womöglich beim nächsten Grand-Slam in Melbourne…

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