Motorsport

Von Flammenhölle und genialen Schutzengeln

Bahrain-Grand-Prix 2020. Chaos unmittelbar nach dem Start. Knalleffekt im wahrsten Sinn des Wortes. Einschlag in die Leitschiene. Atemberaubend. Grauenhaft. Furchterregend. Beklemmend. Stichflammenhölle. Ein Feuerinferno. Erinnerungen an Niki Lauda und Nürburgring anno 1976 wurden wach. Bange Frage von einem der allmählich schwindenden TV-Konsumenten: Gibt´s nach vielen, vielen Jahren wieder ein Formel-1-Opfer? Irrtum! Schreck, lass nach. Wie durch ein Wunder sprang Romain Grosjean, einer der Hinterbänkler der Branche, selbst aus dem Cockpit des Boliden, der von der Leitschiene zweigeteilt worden war. Und der Haas-Pilot kam, wer hätte das für möglich gehalten, mit leichten Verletzungen aus dieser Bahrain-Hölle. Nicht einer, sondern gleich mehr Schutzengel, so sagt man ja landläufig immer noch, muss er dabei wohl gehabt haben, oder?

Eine unbewiesene, plakative Redewendung im Gegensatz zu den rettenden Engeln in Menschengestalt aus der Wissenschaft. Jenen blitzgescheiten, hochgebildeten, des technischen Fortschritts mächtigen „Schreibtischtätern“, die dir ebenso vorrechne können, wie, wann und wo Raketen zum Mond, zum Mars, zum Jupiter und zur Venus zünden müssen ebenso wie sie einen gemeinsamen Nenner dafür finden, aus welchem Karbon oder noch härterem, unzerbrechlichem Stoff ein Cockpit gebastelt sein muss, damit es anders als andere Materialien sich nicht in seine Bestandteile auflöst.

Bei diesen für die Öffentlichkeit so gut wie unbekannten, aber genialen Köpfen, das sei gesagt, muss sich Monsieur Grosjean bedanken, dass er dem Tod von der Schaufel und vom Feuer ins Freie hat springen können dank des Safety-first-Gedankens, der seit einem Vierteljahrhundert die Formel 1 fast schon – zynisch formuliert – zu einem Highspeed-Sicherheitsunternehmen gemacht hat. Im Gegensatz zu einer Grand-Prix-Vergangenheit, in der legendäre Fahrer das Spiel mit dem Tod mit ihrem Leben bezahlt hatten. Und es, so nebenbei vermerkt, einerseits tragisch, andererseits aber geradezu eine bizarre Ironie des Schicksals ist, dass der immer noch Rekordweltmeister Michael Schumacher (teil sich diesen Rekord jetzt mit Lewis Hamilton) bei einem vergleichsweise läppischen, aber fatalen Ski-Sturz schwerste, womöglich irreparable Hirnschäden davongetragen hat.

Und wenn wir schon beim Thema Zynismus sind, dann erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass die auch durch die eklatante Dominanz von Hamilton und Mercedes abseits der Motorsport-Freaks zum Langweiler mutierte Formel 1 durch den grauenhaft anzusehenden Feuerunfall mit zweigeteiltem Boliden, aber so gut wie unversehrtem Piloten und Schutzenge-Story rund um den Globus televisionär und medial höchstes Interesse geweckt hat. Und dabei auf ganz unsportliche, aber umso dramatischere Art und Weise indirekt zum Nutznießer einer verhinderten Tragödie geworden ist, die Diskussionsstoff für Abermillionen bedeutet. Aber so ist unsere Welt, die nach Sensationen lechzt. So oder so. 

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