- Ja, gibt´s denn so was? Kaum ist nicht nur die ARD-Doku von Freund Neureuther über Peking, China und Winterspiele am falschen Ort hergezogen, hört man ganz andere, neue Töne aus dem olympischen Reich der Mitte! Ja, kann sein, was nach dem Polit-Klischee eigentlich gar nicht sein dürfte? Das muss man sich fragen, wenn man liest, wie frei sich etwa die Langlauf- und Schusskanone Lisa Theresa Hauser im Biathlon-Zentrum bewegen kann, abgesehen davon, dass es abseits der Loipe zwar nur angezuckert, dafür aber noch kälter als in einem Eisschrank ist. Nicht genug damit, so hab ich in einem Interview von Markku Datler, einem meiner „Presse“-Nachfolger, mit Bernhard Russi, Abfahrts-Olympiasieger 1972, nur von Klammer besiegter Olympiazweiter 76 und respektierter FIS-Pistenarchitekt, höchst Interessantes lesen können.
Nicht nur als Designer der Abfahrt spricht der Schweizer in höchsten Tönen über die selektive Strecke, die alles beinhalte – als geborener Mitteleuropäer, aber weltoffener, weitgereister Globetrotter bricht Russi auch eine Lanze für die Wahl Pekings als Schauplatz von Winterspielen. Möge zwar sein, dass der Schnee aus Kanonen und aus Grundwasser komme, andererseits herrschten in und rund um Peking im Winter auch tiefwinterliche Temperaturen wie Bedingungen. Und darüber hinaus würde ein Hochgeschwindigkeitszug a la TGV die Millionenstadt Peking in einer knappen Stunde mit dem Alpinzentrum verbinden, trotz großer Entfernungen also wären es Winterspiele der kurzen, besser: zum Katzensprung verkürzter Wege.
Aber der Weltmann Russi hat auch etwas gesagt, was manch einer der Traditionalisten aus den klassischen Alpenländern partout nicht hören oder verstehen mag, weil sie sich im Skizirkus quasi auch in einem geschlossenen Zirkel bewegen. „Wenn der Skisport nicht nur regionale Bedeutung haben, sondern ein Weltsport sein will, dann muss er auch in die Welt hinausgehen!“ Dazu in eine, in der auch für die Wintersport-Wirtschaft das Geld auf der Straße, Pardon: auf Bergen und Pisten liegen würde…
Das war ja auch die Intention vor sechs Jahren gewesen, als sich das Internationale Olympische Komitee für China, Peking und ein 1,4-Milliardenvolk entschied und gegen das viel reichere, aber bevölkerungsarme Kasachstan, damals noch unter dem Regime eines Langzeitpräsidenten, der die von ihm gegründete Metriopole Astana vor seinem Rücktritt nach drei Jahrzehnten noch schnell nach seinem Vornamen Nur-Sultan umbenannte.
Beim Sieg in Willingen war die Kramer-Welt noch in Ordnung, jetzt sind Goldträume nur noch olympische Schäume.
Ich möchte nicht wissen oder hören, welch (Welt)-Zorn die Olympier getroffen hätte, hätten sie damals jenes Astana gewählt, in dem es aktuell als Neo-Nur-Sultan mitten im Peking-Countdown blutige Unruhen mit vielen Toten gegeben hat. Dagegen muten ja extreme Sicherheitsvorkehrungen der Chinesen mit Schutzanzügen wie aus Science-Fiction-Filmen ebenso wie ständige Corona-Tests und mögliche Hotel-Quarantänen wie Kinderspiele an. Vor allem aber auch darum, weil sich vor Ort viele der vorolympischen Skandalstorys zumindest (groß)teils als Schauermärchen entpuppen. Alles nach der Devise, die good old Europa von den Amis übernommen hat: Bad News is Good News…
Es wird also höchste Zeit, dass die Winterspiele in drei Tagen tatsächlich beginnen. Allerdings mit einem argen Dämpfer für Rotweißrot. Eine der seriösesten und größten Medaillen-, wenn nicht Goldhoffnungen, die Überfliegerin Sara Marita Kramer, die sechs Saisonsiege gefeiert hat, muss mit einer Corona-Infektion daheim bleiben. Die zwei positiven Tests allerdings hat Kramer nicht bei den bösen Chinesen abgegeben, sondern im deutschen Willingen am Tag nach ihrem Sieg, den zweiten daheim in Österreich. Das ist Fakt und keine Peking-Ente, die uns aufgetischt wird. Ob aber beim Anstecken in der Schanzen-Bubble irgendjemand mit perfider Absicht dahinter gesteckt haben könnte, darüber spekulieren inzwischen mit Verschwörungstheoretikern auch Dolchstoßlegenden-Liebhaber. Eine erste olympische Tragödie jedenfalls ist schon festgeschrieben.