Es ist passiert, was irgendwann passieren hatte müssen – Roger Federer, einer der besten, einer der universellsten, einer der talentiertesten Tennisspieler aller Zeiten, ist in seinem schönsten grünen Wohnzimmer gestolpert. Früher als erwartet, nämlich schon im Viertelfinal von Wimbledon, wo er nicht weniger als acht Mal triumphiert hat, auch öfter als Pete Sampras. Und nicht gegen einen der alten oder neuen Kapazunder klingenden Namens ist er untergegangen, sondern gegen den polnischen Underdog Hubert Hurkacz, einen soliden, vielseitigen, schlagkräftigen, laufstärkeren Gegner. Der Traum, der nach drei Siegen und vorzeitiger (Schonungs-)Aufgabe auf Pariser Sand alles andere denn utopisch zu sein schien, ist geplatzt und der Schweizer mit südafrikanischen (Mama-)Wurzeln um eine Hoffnung ärmer, (s)einen 21. Rekord-Grand-Slam-Titel zu gewinnen.
Aber wer gedacht hätte, der 20fache Grand-Slam-Turniersieger würde nach der Pleite gegen Hurkacz sagen: Schluss, Aus, man soll an der Schwelle zum Vierziger (Anfang August) halt ehrlich zu sich selbst und zum eigenen Körper sein, der nach zwei Knie-OP´s und 23 Profi-Jahren eben nicht mehr mitspielt, der saß einem Irrtum auf. Noch ist Federer nicht bereit, das Handtuch zu werfen oder das Racket zumindest im Profitennis einzupacken, zu sehr beschäftigt ihn noch die Frage: Soll ich oder soll ich nicht noch einmal um einen Einzel-Olympiasieg kämpfen, der mir in meiner langen Sammlung noch fehlt und durch eine mit Stan the Man Wawrinka geteilte Goldene (Peking 2008) nicht wirklich ersetzt wird.
Irgendwie ist´s ja paradox, dass just Federer, einer der glühendsten Anhänger der olympischen Idee wie der fünf Ringe, mehrmals Fahnenträger der Eidgenossen beim Einmarsch zur Eröffnung der Spiele, im Single mit einmal Silber – Parallele zum einst Überdrüber-Schranz im Skilauf – ein Stiefkind der olympischen Götter geblieben ist. Mehr als ungewiss, ob er ihnen demnächst in Tokio ebenso ein „Haxl“ stellen kann wie es ihm der rundum unterschätzte polnische Außenseiter in Wimbledon (an)getan hat.
Mich tät´s nicht wundern, würde Federer unter der Devise: Jetzt noch einmal erst recht, einen weiteren Anlauf nehmen, um die letzte Karrierelücken zu schließen. Aber zurück bleibt nicht nur die Frage, ob sein 40jähriger Körper dabei noch mitspielt, sondern auch jene, ob nicht weitaus weniger berühmte Gegner inzwischen bei allem Respekt vor seinem Namen auf dem Court jeden Respekt vor ihm verloren haben. Und der Gold-Traum deshalb ein Traum bleibt, weil sich das Rad der Zeit auch für einen der allerbesten aller Zeiten nicht zurückdrehen lässt. Und je älter solche Superstars werden, je mehr OP´s, je länger die Pausen, umso schneller tickt die Uhr. Dem Lauf der Welt kann keiner entkommen. Auch wenn er Roger Federer heißt.