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O. J. Simpson oder: Vom einst filmreifen, berüchtigten Gottseibeiuns zur Fußnote der Sportgeschichte

Mag sein, dass ich da und dort so manches übersehen oder überlesen hab, von Cover-Storys wie vor 30 Jahren, jawohl 30 Jahren, war jedenfalls diese Woche keine Rede, geschweige denn von reißerischen Schlagzeilen, die für reißenden Absatz sorgten. Irgendwo im Blattinneren hab ich´s dann unter der Rubrik „Society international“ gelesen, aber anderer Themen wieder verdrängt, dass O. J. Simpson mit 76 Jahren das Zeitliche gesegnet hat. Jener (wie man damals noch sagen durfte) Afro-Amerikaner O. J. Simpson, der in seiner sportlichen Glanzzeit eine millionenschwere US-Football-Legende wurde, die später sogar in Hollywood-Filmen mitwirkte, die aber Weltberühmtheit erst als präsumtiver (Doppel)-Mörder seiner Ex-Frau Nicole und eines angeblich schwulen Catering-Boten Goldman erlangte.

Ich erinnere mich eines Sommertages während der Fußball-WM 1994 in den USA, als plötzlich nicht Live-Spiele die Normalverbraucher wie Kollegen in Medienzentren in ihren Bann zogen, sondern eine dramatische, von Kommentatoren noch dramatisierte, skandalisierte Verfolgungsjagd von Polizei-Patrouillen am San-Diego-Highway in Los Angeles auf einen Geländewagen, den sie schließlich stoppen und einen gewissen Star namens O. J. Simpson in Handschellen abführen konnten. Welch ein Fressen vor allem für die US-Medien, die sich weder sattsehen noch wundschreiben konnten. Das echte Leben führte Regie ganz ohne Drehbuchautor…

Diese Live-Szenen hatten schon filmreifen Charakter, wurden aber noch in den Schatten gestellt durch den Mordprozess, in dem mit dem oft süffisant lächelnden Angeklagten Orenthal James Simpson vor allem seine beiden schon lange verstorbenen Verteidiger, der angriffslustige Johnny Cochran, der die Rassismus-Karte spielte, und Robert Kardashian, ein Freund armenischer Abstammung aus USC-Trojans-Studententagen, scharfe Klingen mit der Anklage kreuzten. Vor allem Cochran zog im Gerichtssaal eine Live-Show wie in einem Hollywood-Hit ab, die tagtäglich stundenlang in allen TV-Networks frei Haus übertragen wurde.

Tagelang. Wochenlang. Monatelang. Immer mit allen möglichen Zeugen wie Experten, die der clevere Verteidiger so ins Kreuzverhör nahm, dass sie sich in Widersprüche verwickelten. Nach mehr als acht Monaten, in denen es trotz der tragischen Ereignisse immer wieder Heiterkeitsausbrüche gegeben hatte, als wär´ alles gleichsam eine Mordshetz, wurde O: J. Simpson von der Jury im Zweifel freigesprochen – im Geschworenenprozess, nicht aber in einem Zivilprozess, in dem er zu einer extrem hohen Millionen-Geldstrafe verurteilt wurde.

Die von Cochran ausgetrickste Justiz allerdings fand schließlich einen interessanten Umweg, um den offenbar leicht in Rage zu bringenden, rachesüchtig und rauflustigen O. J. Simpson doch nicht ungeschoren davonkommen zu lassen, sondern für lange Zeit hinter Gitter zu bringen. Im wahrsten Sinn des Wortes eine Raubergschicht´, bei der es um höchst wertvolle Memorabilia von O. J. Simpson ging, die ihm gestohlen worden waren – und die er sich in Anwandlung von Selbstjustiz mit Kumpanen gewaltsam aus einem Hotelzimmer in Las Vegas zurückgeholt hatte. Geraubtes Gut geraubt, fürs Gericht ein klassischer Fall von Raubüberfall. Dafür gabs mehr als 30 Jahre Knast, von denen O. J. Simpson mehr als die Hälfte im Kittchen verbrachte.

Selbst seine Freilassung riss niemand mehr so vom Hocker wie damals die Verfolgungsjagd und dann der spannende Prozess mit allen Drum und Dran. Die Geschichte ist über ihn und die Ereignisse hinweggegangen, viele jüngere Semester wissen und wussten gar nicht mehr, um wen und was es sich damals gehandelt hat. O. J. Simpson selbst hat nie wieder ein Wort über den Mord und den Prozess verloren, geschweige denn, ob er der Vater einer der Kardashian-Mädels ist. Was immer war oder auch nicht, Simpson hat es mit ins Grab oder die Urne genommen.

Da der unvergessene Toni Fritsch, der als Dallas-Cowboy gegen O. J. gespielt hat, schon fast 30 Jahre nicht mehr unter uns weilt, ist die lebende Ski- und Arlberglegende Karl Schranz (85) der einzige österreichische Sportler, der diese einst weltbewegende Figur persönlich kennengelernt hat – vor 50 Jahren beim Zehnkampf der sportlichen Superstars aus aller Welt in Florida. Damals, als Simpson bei uns ein Unbekannter war und noch kein Gottseibeiuns, als der er welteit in die Annalen eingegangen, aber im Laufe der Jahre trotzdem zu einer Fußnote der Sportgeschichte geschrumpft ist….

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