So schön war der Ausblick von hoch oben im letzten Stock auf Santiago de Chile für Dominic Thiem gewesen, wie es seine Facebook-Fotos von einer trrainings-Session in einer Beletage dokumentierten. Unglaublich, so schrieb er dazu auf Englisch. Und insane, also Wahnsinn! Stimmt auch in sportlicher Hinsicht. Wahnsinn, wie sich ein Topstar selbst demontiert. Ja, hoch oben war er einmal. Und jetzt schaut er dort hinunter, wo er sich jetzt nicht und nicht vom Fleck bewegt. Nicht nur die Saisonbilanz spiegelt ein Bild des Jammerns mit einem Sieg bei 7 Niederlagen. Auch Thiem selbst hat sich von einer Tennis-Ikone in eine jämmerliche Figur verwandelt, die mitunter das Gefühl vermittelt, als würde sie sich dem unentrinnbaren Schicksal ergeben.
Wie aber sollte Dominic einem Teufelskreis entkommen, in den er sich quasi selbst eingesperrt hat mit seinen nicht mehr nachzuvollziehenden personellen Entscheidungen. Es scheint nicht nur so, es ist wohl auch so, dass er alles falsch macht, was man falsch machen kann – vielleicht auch deshalb, weil sich bei ihm die Macht der Gewohnheit eingenistet hat, die mit einem totalen Realitätsverlust verbunden ist. Wenn Sie mich fragen, dann würde Thiem wieder eine harte Hand brauchen, die ihm zeigt, wo es lang geht, statt der Wohlfühloase mit seinem pflegeleichten Touring Coach Nicolas Massu, der sich selbst oder aber auch ihn abgenützt hat. Also dreht und dreht sich die Abwärtsspirale, weil ihr von einem selbstverliebten Familienunternehmen mit Papa, Mama, Bruder und Adoptiv-Trainer nicht Einhalt geboten wird.
Mag schon sein, dass er als Grand-Slam-Sieger, als dreifacher Grand-Slam-Finalist, als ehemalige Nummer 3 der Welt und als bald nicht mehr gefragte Werbefigur (hoffentlich) ausgesorgt hat fürs Leben. Nichtsdestotrotz sollte und müsste sich der einstige Sportler des Jahres die entscheidende Frage stellen, ob er als knapp 30jähriger noch den Ehrgeiz, den Willen und den sportlichen Selbsterhaltungstrieb besitzt, um einen echten Neuanfang zu starten. Mag sein, dass ich falsch liege, aber ich hege da meine Zweifel, seit ich einen geradezu beängstigenden, fast entlarvenden Satz von Thiem über sich und seinen aktuellen Zustand gelesen habe. Da hat doch der immer noch den bubenhafte Dominic glatt gesagt, dass er sich nicht mehr über Erfolge definiert, ohne anzufügen, worüber er sich dann definiert, wenn nicht als Sportler, der es dank Erfolgen zu höchsten Ehren, Weihen und Konten gebracht hat. Das, so fürchte ich, war so etwas wie das Todesurteil über den nach Muster besten österreichischen Tennisspieler aller Zeiten. Solltekich mich irren, leiste ich gerne Abbitte …