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Justiz hat Topsportler im Visier oder: Vom Siegeswalzer zum Kriminaltango

Es ist ein ehernes Gesetz: Wer sich was zuschulden hat kommen lassen, der muss dafür büßen und sühnen. Darum sollte keiner herumkommen, wie prominent sein Name, wie gerühmt seine (sportlichen) Taten, das sei vorweg einmal schon gesagt. Trotzdem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Justitia mitunter da auf einem Auge blind ist, dort aber auf dem anderen nicht nur besonders scharf sieht, sondern mit besonderer Schärfe urteilt. Oder mitunter sogar das Fähnchen nach dem Wind hängt, um medialen Vorverurteilungen gerecht zu werden. Nein, nein, ich rede da nicht von Politikern, denen der Prozess gemacht wurde/wird, sondern von Ikonen des Sports, die auf der Anklagebank sitzen oder inzwischen mehr oder weniger lange Haftstrafen verbüßen. Und da ja, wie man weiß, der Strafrahmen meist weit gespannt ist, so werden von den Medien und vor allem von den immer wichtigeren oder sich wichtiger als wichtig nehmenden (a)sozialen Medien die Höchststrafen, die einem Angeklagten drohen könnten, ins Visier genommen oder zu Papier gebracht. Auch ein Kriminaltango statt Siegeswalzer ist ein Verkaufsschlager…

Ein Fressen für die Leser, aber mitunter auch ein Wegweiser für den einen Herrn oder die andere Frau im Talar, drakonische Strafen zu verhängen, meist dadurch gedeckt, dass die vermeintlichen Jugend-Vorbilder ihre Rollen missbraucht hätten, was natürlich strafverschärfend sein muss. „Warum“, hat Werner Schlager, der historische erste, auch gebürtige österreichische Tischtennisweltmeister seit der Zwischenkriegszeit gefragt, „warum werden immer wieder Ikonen unseres Sports an den Pranger gestellt, um nicht zu sagen ruiniert?“ Auch Schlager, der versucht hat, mit Hilfe von vermeintlich Gleichgesinnten eine Talente- oder gar Goldschmiede der Zukunft mit der Akademie seines Namens in Schwechat auf vier Tischbeine zu stellen, hat sich auf der Anklagebank wiedergefunden, zumindest bisher unbewiesen angeschwärzt.

Reden wir nicht von zwei Olympiasiegern, die erst von den Medien vor- und dann zu klangen Haftstrafen verurteilt wurden. Und ein Radprofi wie Stefan Denifl wird von „geschärften“ Richtern schon mehrmals vor Gericht gezerrt, weil er sich seine wenigen Achtungserfolge als Doping-Wiederholungstäter zu Lasten der Besiegten erschlichen haben soll – ganz so, als wäre er nur eines der wenigen schwarzen Schafe in einer heilen Welt der radelnden Lämmer. Wie weltfremd, bitte schön, sind denn solche Ansichten, hinter denen eher das Kalkül steckt, anders als in anderen, heikleren Prozessen mediale Aufmerksamkeit zu erregen oder sich den Ruf der Scharfmacher im Justiz-Getriebe zu erwerben. Dabei sind die Kosten samt Nebenkosten für solch lächerliche Gerichtsverhandlungen, Zeugenvorladungen inklusive, diesen Aufwand beileibe nicht wert. Und so nebenbei kenn´ ich kein anderes Land, in dem gegen Topsportler oder auch kleinere Lichter so resolut vorgegangen wird wie bei uns. Motto: Schaut´s her, wie streng wir sind!

Ein Fressen für die englische, deutschen und internationalen Medien: Becker vor Gericht – und etwa demnächst auch im Knast?

Oder doch? Ja, die Briten wie die Deutschen ergötzen sich jetzt daran, dass das Bobele, also Boris Becker, von seinem Tennis-Wohnzimmer in Wimbledon nun im Gerichtssaal eines Courts in London gelandet ist, wo ihm eines Schuldenberges an Abermillionen wegen nun der Prozess gemacht wird. Bobele im Glaskäfig mit Dolmetscherin und Wasserflasche, da lacht das Fotografenherz ebenso wie jenes der Regenbogenpresse, die aus dem Liebling von ehedem längst Protzkopf, Dumpfbacke, Münchhausen und Lügenbold von heute gemacht hat. Da bin ich schon neugierig, wie scharf in diesem Fall das Objektiv der englischen Justiz eingestellt ist, die ja auch nicht ganz frei von Beeinflussung sein dürfte. Mit Betonung auf objektiv, was ja angesichts der freudigen Erwartung mancher, die mit dem Messer wetzen, kein leichtes Unterfangen wird. Schließlich hat sich mittlerweile ein altbekanntes Sprichwort ins Gegenteil verkehrt. Jetzt hängt man die Größten quasi an die große Glocke, lässt aber auch die Kleinen nicht ungestraft laufen. Wo Übertreibungen regieren, haben es Maß und Ziel verdammt schwer, der Gerechtigkeit zum Recht zu verhelfen.  

 

 

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