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Linz-Jubiläum oder: Vorteil Auslands-Ladies

Ist der Vorhang hinter dem Erste-Bank-Open 500 in Wien gefallen, hat er sich für das Upper Austria Ladies in Linz schon gehoben. Das Traditionsturnier feiert Corona und Folgen zum Trotz auf der Gugl sein 30-Jahr-Jubiläum. Begonnen hat alles schon früher, als Turniervater Peter Michael Reichel für seine talentierte Tennis-Tochter in Wels ein – soweit ich mich erinnere – 10.000-Dollar-Turnier auf die Beine stellte. Aus der großen Profikarriere wurde nichts bei Sandra Reichel, dafür ist inzwischen aus ihr eine allseits beliebte und engagierte Turnierdirektorin von Linz bis Nürnberg und Hamburg geworden, die im Rückblick stolz sagen kann, dass kaum eine der Größ(t)en nicht in Oberösterreichs Hauptstadt gespielt oder gewonnen hätte.

Die Liste ist lang und spektakulär: Von Manuela Malejewa, der ersten Siegerin, über Jana Novotna (+), Mary Pierce, Lindsay Davenport, Justine Henin, Amelie Mauresmo, Maria Sharapowa, Ana Ivanovic (-Schweinsteiger), Petra Kvitova, Viktoria Azarenka, Angie Kerber und Karolina Pliskova bis zum Wunderkind Cori Gauff, das im Vorjahr kam, sah und triumphierte – im Gegensatz zu den Williams-Schwestern, die höchstens (wie Venus) ein Endspiel erreichten. Wer aller sich in Linz tummelte, das war das „Who is Who“ oder die halbe „Hall of Fame“, die sich die Klinke in die Hand gab. So leicht macht das den Reichels keiner nach, auch wenn in diesem verdammten Covid-19-Seuchenjahr nur Tugend aus der Not gemacht werden konnte/durfte.

Wo aber, werden Sie fragen, sind unsere Stars i. R. und Sternchen aktuell geblieben bei dieser Revue, die sich auch um mehr als nur ein Pin-Up-Beauty drehte? Allein, es fehlen heimische Namen und Damen, die für Sensationen und Aufsehen gesorgt hätten. Drei besiegte Doppelfinalistinnen (mit Auslandspartnerinnen) – in 29 Auflagen das höchste der Gefühle, ganz zu schweigen von fehlenden Einzel-Erfolgen. Ob Judith Wiesner (spätere Floimair), ob Babsi Paulus, ob Tamira Paszek, die in Linz nach ihrem allerersten Erstrundensieg bei einem WTA-Turnier schon wie ein Fixstern am Tennishimmel bejubelt worden war – keine hat jemals den Heimvorteil zum Höhenflug nutzen können. Mittlerweile aber wären Barbara Haas oder Julia Grabher schon froh, nein euphorisch, würden sie mit ihren Wildcards mittelhohe Auftakthürden nehmen. In Linz beginnt´s, von diesem geflügelten Wort war bei ihnen bisher jedenfalls nichts zu merken. Eher vom Refrain: Bitte warten!

Ja, ja – das Warten nimmt seit geraumer Zeit kein Ende, seit  es keine rotweißrote Tennisdame mehr unter die Top 100 der Welt schafft und ein einst voreilig zum Topstar hochgejubeltes Talent wie Tamira „Mimi“ Paszek nach vielen privaten Turbulenzen und auch verletzungsbedingten Rückschlägen bei ihrem Comeback-Versuchen über Pannen, Pleiten und Bagel-Prügel ins Nirwana gestolpert ist. Und was soll aus der mittlerweile bald 22-jährigen Tennis-Tochter Mira Antonitsch werden, die schon in der 1. Quali-Runde von Linz wieder gescheitert ist und im WTA-Ranking um Plätze von 620 bis 650  pendelt, also im Niemandsland, obwohl sie bei Günter Bresnik als Coach in guten Händen und besserer Verfassung sein sollte?

Und vor der bisher unerfüllten Hoffnung findet sich im ÖTV-Ranking als Nr. 3 sogar noch die 30-jährige Melanie Klaffner aus Weyer, seit fast 15 Jahren fester Bestandteil des Fed-Cup-Teams, wann immer man sie brauchte, speziell im Doppel. Sie wurde zwar Seriensiegerin (Einzel 15, Doppel 23) auf unterer ITF-Ebene, die Stufe höher aber hat sie nie gepackt. Und auch von fast allen anderen wäre es vermessen, in absehbarer Zeit zu erwarten, dass sie Lücken füllen, die Schett, Paulus, Wiesner, Ritter, Maruska, danach auch noch Paszek, Bammer, Meusburger, Mayer-Achleitner und Co. hinterlassen haben.

Jetzt schnell Sündenböcke zu suchen oder auf vermeintlich Schultragende an der Misere mit den Fingern zu zeigen und zu rufen: Haltet den Dieb, klingt ganz nach typisch österreichischer Methode, bietet aber alles, nur keine Lösung des Nachwuchsproblems, das wie alle Übel im heimischen Spitzensport viel tiefer sitzt. Und nicht immer, aber oft die Ursache darin hat, dass in (sehr) guten Zeiten meist darauf vergessen wird, Vorsorge für die Zeit danach und damit die Zukunft zu treffen.

Auch deshalb kein Wunder, weil man hierzulande gern vermeint, mit populär-populistischen Personalien das Auslangen zu finden statt mit durchdachten Plänen und ausgeklügelten Projekten eine vernünftige Basis zu schaffen, die den Nachwuchs über Momentaufnahmen hinweg richtig fördert. Das wäre vonnöten, damit das Upper Austria Ladies in Linz spätestens zum 40er-Jubläum eine heimische Zugnummer bekommt, die sowohl die Halle als auch die Kassa füllt. Man kann gespannt sein, ob und wie sich Jürgen Melzer ab 2021 als neuer Sportchef dieser diffizilen Causa annimmt. Als bekannter Frauenfreund könnte er sich ja auch als (Tennis-)Meister dieses Faches entpuppen…

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