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Ukraine hin, Blaugelb her – ein Aleksander Usyk ist nur eine Fußnote der Boxgeschichte

Mir ist bewusst, dass ich mir damit natürlich die Zunge verbrennen kann. Aber man merkt die ziemlich einseitig gezimmerte Absicht und ist darob verstimmt. Anders als der es eigentlich sein sollte mit seinem pathetisch-theatralischen Prinzip der Völkerverbindung gibt´s im (Welt)Sport aktuell nur ein Hosianna für alles, was nach Ukraine und Blaugelb klingt, während alles, was nach Väterchen oder Mütterlein Russland riecht, natürlich des Teufels ist oder besser gesagt: „putin-ziert“ wird. Und überall dort, wo russische SportlerInnen (anders als im Tennis) ausgesperrt wurden, und überall dort, wo es nicht um Zeiten oder Weiten, sondern vor allem Noten der Preisrichter geht, dort gibt´s fast schon regelkonform Bestwerte für UkrainerInnen, da können sich GegnerInnen noch so bemühen, es bleibt vergebene Liebesmüh´.

Und damit sich alles noch ein bisschen besser verkauft, werden sportlichen Ukraine-Siegen allenthalben auch sentimentale Herz-Schmerz-Kriegs-Storys als Mäntelchen umgehängt, um sowohl Durchhalteparolen als auch Siegermentalität zu verbreiten. Nicht dass Sie etwa meinen, ich würde die russische Invasion und Aggression gutheißen, ganz und gar nicht, weil ich als Kriegs.- und Nachkriegskind pazifistischer als manch Pazifist eingestellt bin. Aber mich stört, dass der angeblich so völkerverbindende und über alle Ideologien hinweg einigende Sport vielmehr dazu missbraucht wird, die SportlerInnen-Welt zu spalten statt Beispiele zu setzen, wie man Gegensätze überwindet. In diesem Sinne wurde ja auch der alte, neue, mir kaum bekannte Boxweltmeister aller Klassen, Oleksandr Usyk, nach seiner erfolgreichen Titelverteidigung in Djedda, Saudi Arabia, mehr oder weniger politisch vereinnahmt, wenn nicht missbraucht.

Usyk, natürlich ein noch besserer als guter Ukrainer, soll ja angeblich zuerst auf die WM-Gürtel der verschiedensten Weltverbände gepfiffen haben, um dem Ruf der Nation, seines weltmeisterlichen Vorgängers und Kiew-Bürgermeisters Klitschko wie erst recht des medial bestens vernetzten Präsidenten Selenskij als Freiwilliger an der Front zu dienen. Na ja, wer glaubt, dass man als Sportsoldat im Kriegsdienst über Unerschrockenheit hinaus sich so gut auf einen WM-Kampf vorbereiten kann, um ihn wenn auch knapp gegen einen größeren, revanchesüchtigen, siegesdurstigen Gegner wie Joshua zu gewinnen, der soll mit oder trotz dieser maßlosen Über.- oder Untertreibung glücklich oder selig werden. Für meine Begriffe handelt es sich da wie bei so vielen anderen Meldungen, auch wenn sie nichts mit Krieg, Russen oder Ukraine zu tun haben, um Fake News.

Und für meine Begriffe werden auch Weltmeister wie Usyk oder Herausforderer wie Joshua oder Tyson Fury, der aus der Versenkung geholt werden soll, im Vergleich zu den Giganten des Boxsports, von Joe Louis bis Max Schmeling, Rocky Marciano bis Ingemar Johansson, von Cassius Clay vulgo Muhammad Ali bis Joe Frazier, von Larry Holmes bis Mike Tyson, nur die zweite bis dritte Wahl an Champions bleiben, für die es sich nicht lohnen würde, weit nach Mitternacht den Wecker zu stellen, um sie boxen zu sehen. Und wenn man ihn als Ukrainer noch so und nicht nur in den Boxhimmel hebt – ein Oleksandr Usyk wird nur eine Fußnote in der Geschichte des Schwergewichtsboxens bleiben, das ja in Wohlstandszeiten sowieso schon so etwas wie sportlicher Anachronismus geworden ist…

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