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Wenn der Sport nur noch am Trittbrett mitfährt

Vor wenigen Stunden gab´s mit einem hochgeschätzten Kollegenfreund eine Diskussion, weil er monierte, die von mir zitierte gute Pressearbeit im Turnverband würde im Widerspruch zum vergleichsweise geringen Medienecho über historische Erfolge des Herren der Ringe, Vinzenz Höck, stehen. Keine Frage, dass sein Argument mehr als plausibel ist, es aber trotzdem einen im Grunde für die Branche nicht gerade rühmlichen Haken gibt. Die Kollegenlegende zu Lebzeiten geht nämlich davon aus, wie er als einer der großen Chefs seiner Zeit die samt Fotos versendeten Mails eines ÖFT-Generalsekretärs (und zugleich Presse-Chefs) eingeschätzt und verarbeiten hätte lassen.

Um hart, aber trotzdem fair zu sein, sei nämlich gesagt: Dem ist mittlerweile nicht mehr der Fall, weil sich die aktuellen oft unsportlichen Sport-Tabloids vom klassischen, hochwertigen Sportboulevard von früher immer mehr entfernt haben – auch deshalb, weil es vielen Jungkollegen in sensationslüsternen Zeiten auch daran mangelt, Höchstleistungen in Rand-, aber Grundsportarten dementsprechend einschätzen zu können. Das wurde mir zuletzt von einem anderen geschätzten Kollegen älteren Semesters bestätigt, der – man kann´s kaum glauben – seine ganze Überzeugungskraft aufbringen musste, um die Turnsensation wenigstens in ein paar Zeilen in seinem Medium zu platzieren.

Ja, was ist schließlich schon  ein historisches Ringe-EM-Silber in einer klassischen Weltsportart und Olympia-Disziplin gegen die brandaktuelle Meldung, dass David Alaba…. Nein, nein, es ging ausnahmsweise nicht darum, ob er es beim FC Bayern billiger gibt als vordem gefordert oder doch bei Real Madrid, oder wenn nicht dort, dann bei Juventus, oder wenn nicht dort, dann auf der Insel landet. Nein, die neueste Spitzenmeldung betreffend unser aller David hatte tatsächlich Sensationscharakter. Und inwiefern, bitte schön? Es ging ums Rasieren, aber nicht etwa, was beim Fußball ja vorkommen kann, um Bälle, die er womöglich beim Training oder in einem Match rasiert, also schlecht getroffen hätte. Ja, es ging samt Foto (mit Credit gratis) schlicht darum, dass Alaba seinen Abwehrpartner Süle (gleichberechtigt oder?) die Haare oberhalb vom Ohr in jenem Schnitt rasiert hat, der immer noch, schon wieder oder für immer in Mode ist. Alaba als Friseur! Der verballhornte Sport wurde  längst zum Trittbrettfahrer degradiert.

Nicht zu vergessen, dass auch Darts, ein klassischer Wirtshaussport wie einst Stemmen, sich zum Boulevard-Klassiker stilisiert hat. Mit anderen, höchst ausgefallen Typen mit höchst ausgefallenen Haircuts, die versuchen, mit kleinen Pfeilen  ins Schwarze zu treffen. Und die jetzt in diesen verdammten Covid-19-Zeiten damit fertig werden müssen, dass sie – wie unser Lieblingsmeister Suljovic – ohne grölende Fans im Hintergrund als Rückenwind große Würfe landen müssen. Ja, das hat heutzutage leider mediale Priorität, das wird als so wichtig wie wertvoll betrachtet, dass es im Handumdrehen verarbeitet werden muss. Ganz so, wie das vermeintliche Gesetz des modernen, nicht klassischen Sport-Boulevards es befiehlt. Rückständig, wie ich alter Sportdepp bin, halte ich diese Tendenz/Dekadenz im Sinne guter Sportentwicklung im Immer-Mehr-Nicht-Sportland für völlig falsch.

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