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Der kleine Unterschied zwischen Mann und Frau ist beim Profi-Tennis in China ein himmelhoher

Ich will mich heute anlässlich der French Open in Roland Garros mit einem interessanten Phänomen beschäftigen, das ganz sicher gesellschaftliche, soziale, kulturelle, historische und sprachliche Hintergründe hat. Ja, es geht ums Tennis in China und um die vom Tempo her völlig unterschiedliche Entwicklung von Damen und Herren im Profisport, der ja im Reich der Mitte erst in den 90er-Jahren zugelassen und auch salonfähig wurde. Wenn ich mich recht entsinne, so verfolgte unsereins mit staunenden Interesse vor gut 20 Jahren in Roland Garros die ersten Pressekonferenzen von chinesischen Tennisdamen, die mit Dolmetsch oder in Pigeon-Englisch mehr kichernd als redend Nichtssagendes zum Besten gaben, weil sie sich offenbar die Zunge nicht verbrennen und damit ihre Karriere gefährden wollten.

Darunter befand sich als damals Beste auch jene dann lange in den USA lebende, inzwischen in Peking angeblich geächtete, verbannte oder doch nicht aus- oder eingesperrte Peng Shuai, die später ganz im Schatten einer Na Li (oder Li Na) stehen sollte. Aber ehe die mehrfache Turniersiegerin, Grand-Slam-Viertel- und Halbfinalistin den historischen ersten China-Triumph in Paris feiern und in Australien wiederholen sollte, war das goldene Zeitalter der chinesischen Tennisdamen längst angebrochen. Kaum dabei, war Peking mittendrin mit den Olympiasiegerinnen Li Ting und Sun Tiantian im Damendoppel bei den Sommerspielen 2004 in Athen – eine Weltsensation, die aber so eine große Überraschung eigentlich doch nicht war, weil dieses Duo miteinander insgesamt 35 Turniersiege auf sein Konto brachte.

Was Damentennis betrifft, wurde das Reich der Mitte fast über Nacht eine Weltmacht, die auch jetzt noch immer wieder sehr gute, wenn auch keine neuen Golden Girls produziert. Im Vergleich zur 20jährigen chinesischen Frauen-Power sind die chinesischen Tennisprofis erst seit kurzem dabei, ihre Kinderschuhe langsam auszuziehen. Auf so großen Fuß zu leben wie ihre weiblichen Vorreiterinnen, davon sind sie Siebenmeilenstiefeln weit entfernt. Ein gewisser Wu Yibing war voriges Jahr beim US-Open der erste Chinese, der je ein Match bei einem Grand.-Slam gewinnen konnte. Jetzt hat ihn in Roland Garros ein gewisser Zhinzhen Zhang übertrumpft, der immerhin die dritte Runde erreichte, wo er nach Satzgewinn gegen den Vorjahrsfinalisten Casper Ruud die Segel streichen und die Koffer packen musste.

Der vom großen Satiriker Erich Kästner zitierte kleine Unterschied von Mann und Frau ist beim laufintensiven, kräfteraubenden, mental fordernden und technisch anspruchsvollen Tennis kein schneller Quantensprung, sondern auch deshalb (der KP-Führung zum Trotz) ein himmelhoher, weil es halt angesichts der Leistungsdichte und des hohen Leistungslevels bei den Herren der Schöpfung viele Jahre mehr Trainings- und auch der Turnier-Zeit bedarf, um konkurrenzfähig zu sein. Erst recht, wenn dabei auch kulturelle, kommerzielle, soziale und sprachliche Barrieren überwunden werden müssen wie im Milliardenreich der Mitte. Die Vergleichszahlen beweisen, dass das alles, nur keine mediale Peking-Ente ist, die da aufgetischt wird. Und kein Schein, der trügt…

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