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Frage der Perspektive wie der Worte

wr stadthalle

Es gab und gibt Redewendungen (nicht nur) im Sportjournalismus, die kommen, gehen oder auch bis heute bestehen. Unsereins, der die Gnade der frühen Geburt hat, kann sich noch gut erinnern, als Bernhard Russi als Exweltmeister und am Patscherkofel gerade von Abfahrtskaiser Franz Klammer entthronter Olympiasieger anno 1976 so bedeutungsschwanger wie folgenschwer sagte: „Nicht ich hab´ das Rennen verloren, sondern er hat es gewonnen!“ Ein Satz der sich fortan in den Sprachgebrauch eingebürgert hat für glücklose, hauchdünne Verlierer, aus denen dann verbal und medial moralische Sieger schlüpften. Disziplinen überschreitend. Niederlagen lindernd. Balsam auf Wunden.

Und so ähnlich hat sich das auch nach dem 2:3 der roten Bullen aus Salzburg angehört, nachdem sie von den Atletico-Madrid-Stieren letztlich auf die Hörner genommen worden waren, nach der überraschenden 2:1-Führung in der Endphase doch noch das dritte Tor und eine Niederlage kassiert hatten. Danach aber war dann die Rede vom Stolz des US-Trainers auf – teutonisch eingefärbt – seine Jungs, die immerhin dem abwehrstarken zweimaligen Champions-League-Finalisten zwei Tore gemacht hätten, was andere erst einmal nachmachen sollten.

Da gab´s rundherum auch höchstens Einzelkritik an Tormann oder (Innen-)Verteidigern, ansonsten aber viel Lob für die engagierte (Mannschafts-)Leistung, was aber nichts daran ändert, dass unterm Strich ein 2:3 und nicht 2:2 oder 3:2, also kein Punkt und nicht einmal ein halber steht, weil moralische Siege tabellarisch (zumindest vorderhand) leider nicht so erfasst sind wie womöglich noch so ungerechte, aber echte Niederlagen. Also kann man sich um tollste Szenen und schönste Umschreibungen für verpasste Chancen und verlorene Punkte bestenfalls eine Portion Mut kaufen, sonst nichts.

Und das gilt nicht zuletzt auch für die Erste Bank Open 500 in der Stadthalle, denen von Topstar Djokovic (in der Setz-, Rang- und Rosterliste abwärts) bis zur Nr. 2, dem Titelverteidiger Dominic Thiem, alle Tenniscracks zu größtem Dank verpflichtet sind, weil sie ihr Können zeigen und auch Geld und Punkte kassieren dürfen. Ihr Lob haben sich die Veranstalter um Turnierdirektor und Thiem-Manager Herwig Straka auch mehr als verdient, schließlich hatten sie in Zeiten eines schleichenden Lockdowns alle Hände (und Worte) voll zu tun, um das trotz einiger Absagen dennoch vielleicht beste Turnier aller Zeiten zu organisieren.

Angesichts der tausend Fans, die sich in der 9000 Zuschauer fassenden Stadthalle fast verlaufen und ein skurriles (TV-)Bild vermitteln, wirkten die Thiem-Worte beim Interview nach dem mühsamen Sieg über den unbekannten Qualifying-Lucky-Loser Satschko (Ukraine/Nr. 529) jedenfalls insofern seltsam, als er dazu meinte: „Es ist ein unglaubliches Gefühl, vor so einer super Stimmung in einer so schwierigen Zeit wie der jetzigen, zu spielen, wieder heimzukommen zu einem der für mich wichtigsten Turniere.“ Ja, so klingt das, wenn sich aus berufenem Mund die Baby-Elefanten ruckzuck ins Mammut verwandeln. Mit nötigem Abstand und Anstand, versteht sich von selbst. Alles nur eine Frage der Perspektive, der Wortwahl und der Redewendungen.

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