Fussball

Frankreich und die Fußball-Interpretation der Marseillaise als Weg zum Ziel

Frankreich gegen Argentinien oder Flügelflitzer Mbappe gegen Fußballgenius Messi als finales WM-Duell zweifacher Weltmeister, da hätten vor dem Startschuss in Katar viele und nicht nur die Fans der betreffenden Mannschaften mit der Zunge geschnalzt. Wer aber verfolgt hat,  wie sich der Titelverteidiger zum 2:0 gegen angriffslustige, aber ineffiziente Marokkaner geradezu geschleppt hat, der wird das Wort vom Traumfinale nicht mehr so schnell in den Mund nehmen.

Die Art und Weise, wie die mit weit größeren Millionen-Stars gespickten französischen Minimalisten die Atlas-Löwen doch noch zähmten, hat mich an den raffinierten US-Tennisspieler Brad Gilbert erinnert, der seinen Spruch und Buch-Titel unter anderen Taten auch bei seinem finalen Wien-Sieg gegen Karel Novacek unter Vortäuschung einer Verletzung zum Prinzip erklärt hatte: Winning ugly!

Ich würde mich ja allzu gerne irren, würde mich aber nach Ansicht der Semifinalspiele sehr täuschen, sollte der gewiefte Taktiker Didier Deschamps seinem obersten Gebot untreu werden, dass Verteidigung der beste Angriff ist, also Konter über Mbappe, den Usain Bolt des Fußballs. Und da er auch selbst als Spieler (3:0 gegen Brasilien 1998) und treuer Zidane-Diener auf diese Taktik gesetzt hat, bin ich mir dessen fast sicher, dass es am besten  ist,  wenn man Messi nicht zum Messias werden lässt. Das liegt wohl auf der Hand oder im gegenständlichen Fall auf dem und an den Füßen, wie immer man das interpretiert. Der Weg ist das Ziel.

Alles nach dem Motto: Wer steht, der liegt oder fliegt. Die technisch bestens ausgebildeten Recken sind keine Kinder von Traurigkeit, sondern setzen auf sportlichem Weg meistens um, was der Text ihrer vor dem Spiel aus voller Brust gesungenen Marseillaise-Hymne verlangt: Zu den Waffen Bürger! Formt eure Schlachtreihen! Marschieren wir, marschieren wir! Dass danach von unreinem Blut die Rede ist, das die Erde tränkt, also den Zoll für die Freiheit besingt, hat allerdings nichts mit Gegenwart, sondern der französischen Revolution zu tun.

Nach dem Ausflug in die Geschichte also zur Fußball-Gegenwart, in der wie gesagt mit aberwitzigen, sich selbst überschätzenden Ausnahmen meist ein Satz alles andere dominierte: Vorsicht ist die Mutter aller Weisheiten! Und genau darum, weil sich dieser Didier Deschamps, ganz Feldherr, fast immer daran orientiert, und genau darum, weil er der Boss sein will, der Frankreich als erstes Team seit Brasilien  (1958/1962) zur Titelverteidigung führt, kann  ich mir Rambazamba-Fußballzauber als krönenden Abschluss einer der umstrittensten Weltmeisterschaften aller Zeiten nicht vorstellen.

Eher schon, dass die sowieso schon weiter als alle anderen Teams ihres Kontinents zuvor vorgestoßenen Marokkaner (erstmals Semifinale) gegen die frustrierten Kroaten die erste WM-Medaille für eine afrikanische Mannschaft gewinnen. Aber lassen wir uns überraschen, was die Wirklichkeit aus der Papierform macht, die ja nicht immer so hart ist wie Pergament …

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