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Linienrichter a. D. als Autogrammjäger im Moralapostel-Visier

Es rauschte nicht nur im Blätterwald, auch und vor allem die elektronischen und digitalen Medien echauffierten sich angesichts des Videos, das ein englischer Reporter in Manchester im Duell von ManCity mit Dortmund gedreht und dann ins Netz gestellt hatte. Ja, was war da so furchtbar Schreckliches passiert, das die Moral- (insauren) Apostel der Fairness und Unparteilichkeit auf den Plafond trieb? Einer der Linienrichter, ein Rumäne, hatte es nämlich gewagt, den Ex-Salzburger- und aktuellen Noch-Dortmund-Torjäger Erling Haaland um zwei Autogramme zu bitten, noch dazu auf schnellem Wege auf eine gelbe und eine rote Karte, die er bei sich hatte.

Nein, nicht etwa, was in der Tat höchst verdächtig, zu verurteilen und zu bestrafen wäre, vor dem Anpfiff – nein, nein: nach dem Schlusspfiff im „Tunnel“ beim Abgang in die Kabinen, also nach geschlagener „Schlacht“, in der die Borussen im Allgemeinen und Haaland im Besonderen alles, nur nicht bevorteilt worden waren. Frage: Warum sollte ein Linienrichter nach Feierabend nicht für verwandte oder bekannte Autogrammjäger, die Haaland-Fans sind, noch schnell zwei Unterschriften aus erster Hand besorgen, bevor es zu spät ist? Darob über den Linienrichter herzufallen, das erinnert mich geradezu an Heuchelei von Sport-Frömmlern, begleitet von einem unausgesprochenen Unterton („Na, ja, halt ein Rumäne…“) zwischen den Zeilen.

Ich kann mich daran erinnern und Hans Krankl kann´s bestätigen, dass ein hochangesehener, ja weltberühmter deutscher Fifa-Schiedsrichter namens Walter Eschweiler nach dem gegen RSC Anderlecht im Elferschießen mühsam erkämpften Aufstieg im Europacup im Camp Nou in die Barcelona-Kabine kam – und sich das 9er-Leiberl des Goleadors aus Wien als Souvenir einsteckte. Samt einem Autogramm von Johann K. Na gut, damals gab´ s noch keine Handys und keine sozialen Medien, die das fotografiert und hinausposaunt hätten, aber nicht einmal die Belgier wären auf die Idee gekommen, den Schiedsrichter post festum dessentwegen zu „verpfeifen“, obwohl sie unter seiner Leitung ausgeschieden waren.

Damit will ich nur sagen, dass selbsternannte Saubermänner und Moralapostel angesichts solch „lässiger Sünden“, die kein Ergebnis beeinflussen, nicht päpstlicher als der Papst reagieren und mit erhobenem Zeigefinger schulmeisterlich auf einen lächerlichen Zwischenfall deuten sollen: Aufpassen, werter Referee, das wirft ein schiefes Licht auf sie und den Fußball, das sieht die Uefa gar nicht so gern. Ich meine, dass der Europa-Verband in Corona-Zeiten andere Sorgen und Prioritäten setzen sollte, als sich mit einem Lapsus auseinanderzusetzen.

Und wenn von Kleinigkeiten die Rede ist, die zu klären oder zu ändern sind, dann sei eine Frage aufgeworfen: Wieso gilt eigentlich immer noch eine Auswärtstorregel, wenn beide Spiele in welchem der europäischen Fußballbewerbe immer auf neutralem Boden oder in einer Stadt (Budapest, Sevilla) gespielt werden? Darüber sollten sich nicht nur die Fußballrichter, sondern auch andere besorgte Regelhüter den Kopf zerbrechen. Aber dabei lässt sich so schnell kein Foto schießen, Video drehen und ins Netz stellen, um sich wichtiger als wichtig zu machen. Im Gegensatz zur Jagd auf einen Linienrichter nach “Dienstschluss” als Autogrammjäger für, wie sich herausgestellt hat, eine Charity für Autisten…

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