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Nebuloser Riesenslalom mit Odermatt-Gold, Top-Podest, ÖSV-Pleite und Andorra-Sensation

Olympia und seine Kapriolen. Ob sportlich, ob meteorologisch. Irgendwie grotesk, dass es just am Tag, als es erstmals seit Jahren den Winter ins eiskalte Yanqin schneite, vorbei war mit dem rotweißroten Medaillenregen. Dabei schien zur Halbzeit des umnebelten Riesenslaloms der nächste Coup schon in Griffweite, ehe den Salzburger Stefan Brennsteiner das olympische Pech auf dem Weg zu Silber oder Bronze wieder einholte, diesmal allerdings tat nur das Sturzpech weh und kein gerissenes Kreuzband wie vor vier Jahren in Korea, als er auch auf Medaillenkurs zu sein schien.

Und da auch den von allzu viel Angriffslust getriebenen, durch Quarantäne malträtierten Manuel Feller bereits nach einigen Toren der Sturzteufel ereilt hatte, mussten alle Medaillenträume im ersten Tiefschnee seit Jahren begraben – und die Schuld auf verantwortungslose Verantwortliche geschoben werden. Natürlich stimmt´s, dass außergewöhnliche Bedingungen herrschten. Natürlich stimmt´s, dass es selten zuvor zwischen zwei Läufen eine schier endlose Wartezeit von mehr als fünf Stunden gab. Natürlich stimmt´s, dass der Neuschnee nur aus dem allerdings doch breiten Pistenbereich geschaufelt worden war.

Marco Odermatt kurve trotz Druck zu Gold. Glücklich vereint am Podest mit Kranjec (l.) und Faivre.

Nichtsdestotrotz waren absolute Riesenslalom-Dominatoren nicht nur ziemlich weit vorn, sondern ausschließlich klingende Namen und Topfavoriten am Podest. Unter größtem Druck, der von außen wie von innen kam, krönte sich der erst 24jährige, fünffache Saisonsieger und Wertcupführende Marco Odermatt mit einem taktisch klug eingeteilten Rennen und fabelhaften Finish verdientermaßen zum Olympiasieger – ganz so, als hätte ihn eine Schweizer Präzisionsuhr perfekt eingestellt. Mit Silber holte der zweifache Weltcupsieger und ständige Podest-Kandidat Zan Kranjec erst die zweite olympische Alpinmedaille für einen Slowenen seit Jure Franko (Sarajevo 1984, RTL-Silber, damals für Jugoslawien).

Und wenn mit Mathieu Faivre der aktuelle Weltmeister von Cortina 2021 die Bronzemedaille eroberte und mit Alexis Pinturault der olympisch frustrierte Mitfavorit auch noch unter den Top 5 landete, dann kann man der Jury wahrlich nicht vorwerfen, das Medaillenrennen zu einer Lotterie und zu einer verantwortungslosen Farce gemacht zu haben. Bei den Fehlern, die unseren Hoffnungen passiert sind, hat sich auch Cheftrainer Puelacher mit Grauen abgewandt. Zurück blieb ein 11. Platz des einstigen Junioren-WM-Medaillensammlers Raphael Haaser vom Achensee, der allerdings so alt wie, nein: ein Monat älter ist als das nun vergoldete Universaltalent Odermatt. Und die Hoffnungen, dass auch Marco „Blacky“ Schwarz (14.) beim langen Nachdenken wieder zu sich und seiner WM-Slalomform findet.

Auch wenn wir Österreicher jetzt Trübsal blasen ob des verpatzten Riesenslaloms, so lieferte dieses nebulose Schneetreiben-Rennen auch mehr als nur einen Lichtblick für den Skirennlauf als Sport, der die einst engen mitteleuropäischen Grenzen längst gesprengt hat. Im ersten Dutzend finden sich Läufer acht Nationen, 15 unter den Top 25, 17 unter den Top 30, der Hohenlohe-Epigone Dickson- Sommers aus Mexiko landete (zwei Plätze hinter dem besten Chinesen) auf Platz 36 und selbst die der Quali- und- Quoten-Manipulation beschuldigten Exoten aus Saudi-Arabien und Jamaica kamen ins Ziel und ins Klassement bei einem der selektivsten, durch die Umstände schwierigsten olympischen Riesenslaloms. Wenn aber von sogenannten Exoten die Rede ist, die früher eher für humoristische Einlagen oder gar Überholmanöver auf den Olympiapisten gesorgt hatten, dann gehören diese Episoden der Vergangenheit an.

Manuel Feller ließ seinen Frust an den Verantwortlichen aus. Und Brennsteiner war mit Ski und Glück über Kreuz.

Das spektakulärste Beispiel lieferte im Finale ein gewisser Joan Verdu aus dem Zwergstaat Andorra, der auf den Spuren der Franzosen seine Lektionen so gut gelernt hatte, dass er im Finale mit der drittbesten Zeit als Neunter unter die Top 10 kurvte – und nur 0,59 Sekunden vorbei an einer historischen Medaille, die nicht nur Wellen bis zur Costa Brava und zum Golf von Biscaya geschlagen hätte. Dem neuen FIS-Chef Johan Eliasch muss auch als Besitzer des Ausrüsters Head das Herz im Leib gelacht haben. Je mehr Konkurrenz, je mehr Läufer aus aller Herren Länder, desto mehr wird das Geschäft belebt. Und die Bilder vom ersten echte Naturschnee seit Jahren in China waren dafür nicht gerade abträglich. Nur für unsere enttäuschten Skihelden.

Der belächelte Jamaikaner Alexander erreichte das Ziel,  in dem Joan Verdu aus Andorra über Platz 9 jubelte.

 

 

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