Allgemein

Praxmair in Kitzbühel: Kabarettisten-Geblödel statt Schuh-Geplattel bei vollem Haus

Es ist zwar schon Jahrzehnte her, dass meine Wenigkeit, der frühere „Presse“- und nun freie Sportjournalist, Buch- und Blog-Autor, beim Nachkriegschef der Theaterwissenschaft namens Erik Ritter Vagn van Boerge in die Bühnenschule ging. Seither hab´ ich mir trotz der sportlichen Berufs- und Schlagseite auch ein Faible für die Kultur bewahrt. Und vor allem für die Kleinstkunst, die Lachmuskeln reizen, aber auch Seitenhiebe versetzen soll. Kurzum, für das Kabarett, das mir seit den Tagen eines Qualtinger, Bronner, Merz und Wehle, aber auch eines Karl Farkas und Ernst Waldbrunn ans Herz gewachsen war. Wer Kitzbühel sagt, der denkt an Streif, an Ganslern, an Tennis und High Life wie High Five, und dann, wenn es weniger Sport, sondern Kultur betrifft, an Elina Garanca und ihr klassisches Sommerkonzert, das alle (Mezzosopran)-Stückeln spielt.

Aber auch die Kleinkunst kommt in der Gamsstadt nicht zu kurz, wie ihr Mentor, der mir vom Tennisturnier bekannte Obmann Peggo Jöchl betonte. Ob in der Musikschule, ob im Theater bei der Post oder – ja, im legendären Cafe Praxmair, das einst berühmt geworden war dank seiner „Schuhplattler“-Auftritte, die die Touristen wie das Licht die Motten angezogen hatte. Diesmal allerdings wurde nicht geplattelt, sondern von einem jungen und doch schon g´standenen Kabarettisten geblödelt. Clemens Maria Schreiner, so hieß der 32-jährige Grazer mit der Figur eines Zahnstochers, der mit seinem Programm namens „Krisenfest“ die zur Kleinkunstbühne umfunktionierte Traditions-Kaffee-Konditorei der Annemarie Praxmair um 20 Uhr an einem TV-Samstagabend bis auf den aller letzten Platz füllte.

Die Kitzbüheler wissen offenbar, was sie an Schreiner haben, war er doch als Sieger eines Jungkabarettisten-Wettbewerbes schon als 16jähriger unter Hahnenkamm und Horn aufgetreten. Anders als viele Staatskünstler, die in erster Linie die konservativ-bürgerliche Seite ins Visier und aufs Korn nehmen, verpackte er seine menschlich-politischen Nadelstiche in von ihm erfundene Phantomfiguren, die die sozialen Medien, die Handy-Mania, das neudeutsche Geplapper voller Anglizismen und die Wasser-Prediger und Wein-Trinker, darunter auch grüne Umweltverschwender in gespielter Oberflächlichkeit subtil an den Pranger stellte. 

Nach der schrecklichen, kabarettlosen Pandemiejahre hatte er dem Praxmair-Forum eine langerwartete Party versprochen, die es – ob von allen verstanden oder doch nicht ganz richtig mitbekommen – am Ende auch wurde. Samt Zugaben, mit denen er einen unauslöschlichen Eindruck hinterließ. Der Mann heißt Schreiner, aber die köstlichen, simpel wirkenden, allerdings viel tiefsinnigeren Sequenzen, die er bastelt und zimmert, bestätigen ihn als einen Mann, der in Graz früh begonnen hat, inzwischen aber als Wiener, der durch ganz Österreich tourt, eine große Zukunft als Ticketseller hat. Nicht nur, wenn die Karten um 18 Euro zu haben sind…

Zum Kommentieren hier klicken

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Meist gelesen

To Top

Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen ein angenehmeres Surfen zu ermöglichen