Wintersport

Schanzen-Kreativität oder: Zurück in die Zukunft

Kaum war er da, der Silberstreif am Horizont für die heimischen Adler, da ist er auch schon wieder entschwunden. Alles nur, weil uns der Blasius verhöhnt oder ein zu schwaches Aufwind-Lüfterl weht, das präsumtive Überflieger in halbe Rohrkrepierer verwandelt? Nein, nein, so einfach darf man es sich nicht machen, da würde man sich in den Sack lügen. Immer dann, wenn es scheint, als wäre der eine oder andere tolle Satz so etwas wie ein Sprungbrett aus dem gehobenen Mittelmaß zurück an die Weltspitze, da fallen die rotweißroten Adler in fehlerhafte Bewegungsmuster zurück. Und wo andere Topleute von Polen über Deutschland, Japan Slowenien bis Norwegen nach für ihre Klasse eher verkorksten Sprüngen zur Aufholjagd blasen, verwandeln sich die Österreicher aus Jägern mit guten (Ausgangs-)Lagen im Finale Dubioso immer wieder in die Gejagten ihrer selbst. Ganz offensichtlich stecken sie sich in ihrer Verbissenheit, das Gesetz der Podest-losen Serie zu brechen, in eine mentale wie motorische Zwangsjacke, die ihr Potenzial samt Fähigkeiten fesselt.

Mich erinnert dieses Szenario ein wenig an jene Zeiten anfangs der 70er-Jahre, als das heimische Fernsehen angesichts der schwächelnden Österreicher die Berichterstattung von der Vierschanzentournee schon auf eine abendliche 20-Minuten-Zusammenfassung reduziert hatte. Aber kaum war Rotweißrot unter ferner sprangen, da schlug unter einem akademischen Pragmatiker namens Professor Baldur Preiml, selbst Bischofshofen-Sieger und Olympiamedaillengewinner (1968), die Geburtsstunde der Adler von Pürstl über Schnabl, Innauer, Wallner, Wanner, Millonig bis Ex-Weltrekordler Bachler. Sie alle, ob Sieg- oder Podest-Springer, profitierten damals vom Quantensprung, den der Schanzensport unter und dank Preiml vollzog mit neuem Ski-, Schuh und Anzugsmaterial, aber auch mit Anleihen aus der Mentallehre wie der psychoregulativen Schellbach-Methode, aber auch simplen Mitteln und Methoden, die das Vertrauen in eigene Stärke ebenso steigerte wie die Verunsicherung bis Verwirrung beim (damaligen DDR-) Gegner. Anders ausgedrückt herrschte sozusagen kalter Krieg auf den Schanzen.

Nichts gegen den neuen Cheftrainer Andi Widhölzl, auch Tourneesieger und Olympiadritter, der sicher sein Bestes gibt. Nichts gegen den Einsatz und Aufwand, mit dem versucht wird, zu neuen Höhenflügen anzusetzen. Was mir persönlich aber fehlt, das sind kreative, zukunftsweisende, auch Placebo-Effekte erzielende Initiativen und Ideen, die einerseits unsere Adler wieder mental beflügeln und andererseits verblüffter Konkurrenz etwas die Flügel stutzen könnten. Ich werde des Eindrucks nicht los, dass sich mittlerweile so etwas wie eine alte Leier (nicht nur) ins Springer-System von unten bis oben eingeschlichen hat, in dem man nur hin und wieder ein paar spektauläre Akzente/Ausreißer findet wie zum Beispiel das nicht mehr taufrische Ausnahmetalent Stefan Kraft.

Aber gibt´s nicht zu denken, dass ausgerechnet der zweimalige Weltcup- und letzte Tourneesieger in Wahrheit die Nr. 1 unter den ramponierten ÖSV-Adlern ist, obschon er wegen Rückenproblemen und Corona-Quarantäne das größte Trainingsdefizit aller aufweist? Und ebenso erhebt sich die Frage, warum es seit den Kraft-Akten von Stefan keiner aus den Jung- und Junioren-Adlerhorsten von Stams über Eisenerz, Villach etc. mehr geschafft hat, über den Schatten älterer wie den eigenen zu springen, um zu Höhenflügen anzusetzen. Wer sich angesichts dessen nicht auf Spurensuche begibt, darf sich auch nicht wundern, wenn sich die Siegespuren immer mehr im Schnee verlieren. Was das betrifft, ist auch ein Mann wie Stecher gefragt – und als Super-Mario in neuer Chefrolle gefordert…

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