Fussball

Von Zero to Hero oder: Darf ein Sieges- oder eigentlich Eigentor alles auf den Kopf stellen?

In Linz beginnt´s, gleich hoch zwei: Zweites Spiel, zweiter Sieg, sechs Punkte, 6:2-Tordifferenz, Führung in der Euro-Qualifikations-Gruppe, die Linzer Herzen schlugen höher. Aber Hand aufs rotweißrote Herz, lobenswert bei diesem Ach-und-Krach-Erfolg gegen einen vermeintlichen Punktelieferanten wie Estland war nur die Einstellung, mit der es letztlich gelang, ein 0:1 in vorletzter Minute in einen mühsamen 2:1-Arbeitssieg zu verwandeln.

Aber kaum war der Kelch einer drohenden vollen, mit dem Ausgleich halbierten Blamage an der Fußball-Nationalmannschaft gerade noch vorbeigegangen, da galoppierte auch bei diversen Medienleuten der gelernte Österreicher durch: Nicht mehr zu Tode betrübt, sondern Himmelhochjauchzend mit Luftsprüngen, Abklatschen, Händeschütteln und knalligen Schlagzeilen. Wie jener über Freiburg-Legionär Michael Gregoritsch, der vor der Pause einen Elfer an die Latte geknallt und schließlich als Entschädigung das Siegestor erzielt hatte. Und wie lautete die bombastische Headline? Von Zero to Hero!

Etikettenschwindel wie so vieles, das an diesem alles andere denn glanzvollen, sehr nachdenkwürdigen Abend in der neuen Raiffeisen-Arena, in der mehrmals der sportliche Bankrott gedroht hatte. Das Helden-Tor, durch das der Gregoritsch-Schuss schlüpfte, war nämlich schlicht und ergreifend ein abgefälschter Ball eines Esten, also das, was man in der Statistik als Eigentor führt. Glück des Tüchtigen wäre auch etwas übertrieben zu sagen, eher Füllhorn, das Fortuna für ein Happy End ausgeschüttet hatte.

Und wenn von rotweißroter Brille die Rede ist, durch die auch die TV-Experten alles betrachteten, so müssen eben diese manches doppelt oder dreifach gesehen haben, vor allem die Anzahl an herausgespielten Chancen, die nach der ersten Viertelstunde dann immer mehr Mangelware geworden waren. Halbchancen, vom Offensivgeist getrieben, viel mehr war kaum zu sehen, während die wenigen Konterattacken der Balten (siehe Lindner-Parade) bei unsereins manch Gänsehaut erzeugten mangels fehlender Abstimmung.

Zur Entschuldigung der mehr als durchwachsenen Vorstellung mit dem doch sehr glücklichen Ausgang muss man dem Rangnick-Team zugutehalten, dass eine Reihe etablierter Legionäre von Anfang an mit Lainer, Lienhart, Wöber, Sabitzer und Arnie, dem Bologna-Joker, nicht gespielt hat– und Alaba erst nach dem Wechsel mit Danso, dem Lens-Legionär, unserem Besten, das neue Innenverteidiger-Duo bildete. Aber nicht einmal mit der Stecknadel hätte man in diesem Haufen an guten, körperlich und läuferisch starken Spielern einen Mann finden können, der für zündende Ideen gesorgt hätte, um den Estland-Beton aufzumischen…

Als bekannter Zyniker erlaube ich mir zu sagen: Allzu viel Spiel gegen den Ball, das tut auch dem Ball nicht gut. Aber als ein vermeintlicher Fehlschuss einen Balten traf, lenkte er eben diesen Ball zum Glück für Gregoritsch unhaltbar für den Arsenal-Ersatz vom Ersatz ab. Deshalb ist auch die These unhaltbar, dass Gregoritsch so toll auf den verschossenen Elfer reagiert habe. Dank der gütigen Göttin Fortuna hat´s einen tragischen Helden beim estischen Gegner gegeben, der auch lange mit verschränkten Armen hinterm Kopf auf dem Feld stand wie ein  verlorener Sohn. Im Blick zurück ohne Jubel oder Zorn bleibt die Hoffnung und Chance, dass sich ein Match und ein Gegner nicht mit dem anderen vergleichen lässt. Und wir gegen Belgien und Schweden auch eine andere ÖFB-Nationalelf sehen. Alles andere wäre eine gefährliche (Be)Drohung…

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